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China pocht auf seine Zensur im Internet und hat die Medienunternehmen zur Zusammenarbeit mit dem Staat aufgefordert. Pornografie, Hacker-Angriffe und Online-Betrug seien die größten Gefahren im Internet, erklärte Regierungssprecher Wang Chen am Donnerstag in Peking. Am Vortag hatte der US-Konzern Google aus Protest gegen Zensur und Hacker-Angriffe mit seinem Rückzug aus China gedroht und einen Streit zwischen der Volksrepublik und den USA ausgelöst - der WebStandard berichtet.

Verantwortung

Wang erklärte, die Internet-Medien hätten eine große Verantwortung, mit der Regierung zusammenzuarbeiten. Diese wiederum müsse eine Rolle in der Meinungsführerschaft im Internet spielen. Gerüchte und Falschinformationen im Internet stellten eine Bedrohung für die Gesellschaft dar, fügte er hinzu.

Wang vermied es zwar, Google namentlich zu erwähnen. Seine Äußerungen waren jedoch die erste Reaktion der chinesischen Regierung in dem Disput, in den sich US-Außenministerin Hillary Clinton eingeschaltet und eine Erklärung für die Angriffe verlangt hatte.

US-Außenamtssprecher Philip Crowley sagte in Washington, die USA diskutierten bereits seit langem mit China über die Sicherheit und die Freiheit des Netzes. "Wir werden diese Fragen weiter aufwerfen." Die US-Handelskammer in China zeigte sich besorgt über die Sicherheit ihrer Geschäftskorrespondenz. Ohne ausdrücklich auf den Fall Google zu verweisen, erklärte die Handelskammer, einer Studie zufolge seien die Mitglieder "über die Sicherheit der Geschäftskorrespondenz, ihrer Daten und Netzwerke besorgt".

Support

Unterdessen äußerten chinesische Nutzer im Internet massive Unterstützung für Google. Auch über den Internetkurznachrichtendienst Twitter, den Peking ebenso wie das soziale Netzwerk Facebook und das Internetportal YouTube blockierte, gab es Unterstützung. "Es ist nicht Google, das sich aus China zurückzieht, sondern China, das sich von der Welt zurückzieht", lautete eine Twitter-Botschaft. Auch zum Sitz des Unternehmens in Peking strömten dutzende Menschen und brachten Blumen und Früchte, um Google zum Bleiben aufzufordern. China ist mit 360 Millionen Internetnutzern weltweit der größte Onlinemarkt.

Selbstzensur bei Themen wie Tibet

Die Regierung in Peking filtert den Zugang zu ausländischen Internet-Seiten und verlangt eine Selbstzensur bei Themen wie Tibet. Dieser Zensur will sich Google nicht länger beugen.

Mit der Drohung, sich gegebenenfalls sogar komplett aus dem derzeit stark boomenden und für die Internet-Wirtschaft wichtigen Markt zurückzuziehen, pokert Google hoch. Doch mit dem Verzicht auf ein potenziell lukratives Geschäft könnte Google zugleich in eine andere bedeutende Währung investieren: in das Vertrauen der Nutzer.

Denn ein weiteres Stillhalten nach den jüngsten Angriffen aus China könnte vor allem im Westen das Geschäft von Google auch nachhaltig schädigen. Mit einem Geschäftsmodell, das weltweit auf maßgeschneiderte Werbung durch die Auswertung von Nutzerdaten setzt, ist das Vertrauen der Nutzer in die Sicherheit ihrer Daten unerlässlich.

Konsequenzen

Dennoch könnten die Folgen eines kompletten Rückzugs schmerzlich sein. "Die Konsequenzen, nicht im chinesischen Markt mitzuspielen, dürften für jedes Unternehmen sehr groß sein, aber besonders für ein Internet-Unternehmen, das seine Umsätze mit Anzeigen macht", sagte David B. Yoffie, Professor an der Harward Business School, der "New York Times". Und das Anzeigengeschäft spiele in China eine noch wesentlich größere Rolle als zum Beispiel in den USA.

Google, Yahoo und Microsoft waren bereits in den vergangenen Jahren wegen ihrer Zugeständnisse an die chinesische Zensur wiederholt scharf kritisiert worden.  Mit ihren Zugeständnissen hätten die Unternehmen an der Verletzung der Meinungsfreiheit aktiv beigetragen, hatte zum Beispiel die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wiederholt gerügt.

Die Attacken des letzten Monats hatten allerdings nicht allein etwas mit Zensur zu tun und dürften auch deshalb das Fass zum überlaufen gebracht und das jahrelange Stillhalten beendet haben. Wie das "Wall Street Journal" berichtet, hatten Hacker diesmal nicht nur versucht, Google-E-Mail-Konten von chinesischen Menschenrechtsaktivisten auszuspähen und an Passwörter heranzukommen, sondern auch wichtige Quellcodes zu stehlen.

Reaktion

Nach der Aufdeckung des Hacker-Angriffs aus China erhöht Google die Sicherheit seines E-Mail-Dienstes. Alle Daten der Google-Webmail werden ab sofort automatisch verschlüsselt. Bisher galt dies lediglich für die Anmeldung bei dem Dienst mit Nutzername und Passwort.

https

Die Änderung ist erkennbar an einer neuen Adresse für den Webmail-Dienst. Bei der Angabe zum Dateiübertragungsprotokoll zu Beginn der Internet-Adresse heißt es jetzt nicht mehr "http", sondern "https" - dies steht für "Hypertext Transfer Protocol Secure". Gegenüber dem Standardprotokoll enthält HTTPS eine zusätzliche Schicht zur Verschlüsselung der Datenpakete. Bisher hatte Google auf diese Sicherung verzichtet, weil es dabei zu einer langsameren Datenübertragung kommen kann.

Die Umstellung begann am Dienstagabend. Kurz zuvor hatte das kalifornische Unternehmen mitgeteilt, dass es sich nach der Attacke auf seine Webmail-Server nicht länger der Zensur seiner Internet-Suchmaschine in China unterwerfen werde. Zugleich erklärte Google, dass dieser Schritt auch zur Schließung seiner Büros in China führen könne. (APA/Reuters/apn)