Wien - Mit scharfer Kritik und Unverständnis reagieren Architekten und Experten für Baukultur auf die vom Innenministerium verbreiteten Renderings für das strittige Asyl-Erstaufnahmezentrum in Eberau. "Eine riesige Katastrophe", nannte der Sprecher der IG Architektur, Michael Anhammer, die Entwürfe für "einen Kasernenbau, der an längst vergangene Zeiten erinnert". "So unfassbar, dass man einen ästhetischen Zusammenhang mit dem moralischen Verfall herstellen kann", wertete der Direktor des Architekturzentrums Wien, Dietmar Steiner. Jakob Dunkl von der Plattform für Architektur und Baukultur: "Da ist einfach alles falsch, was falsch sein kann."

Für Steiner ist der Entwurf "einfach nur grottenschlecht und sündteuer - aber billig im Denken. Ich verlange nicht eine spektakuläre zeitgenössische Lösung, ich verlange Angemessenheit." Sich nicht schon beim baulichen Planungsprozess mit Themen wie der würdevollen Behandlung der Asylsuchenden, aber auch mit möglichen Problemen im Zusammenleben zu befassen, sei "menschenverachtend", betonte auch Anhammer. "Es wird nicht teurer oder billiger, wenn man sich darüber Gedanken macht. Das ist eine Haltungsfrage." Architekten könnten dabei nur ein Teil der vielen Spezialisten sein, die in ein solches Projekt einbezogen werden müssten.

Für Jakob Dunkl, Architekt und Sprecher der Plattform für Architektur und Baukultur, waren die Renderings "so derartig indiskutabel, dass ich gar nicht weitere Worte verlieren kann." Die Aufgabe der Plattform sei es allerdings "positives Lobbying für Baukultur zu machen". Der Ratschlag an das Ministerium laute deshalb, "dass hohe Qualität zu weit besserem Erfolg führt." Hier würden die eigenen Ziele allerdings konterkariert: "Dass es im Umfeld einer Architektur, wie sie hier vorgelegt wurde, zu Kriminalität kommt, würde mich nicht wundern."

"Kaserne und Gefängnis"

Wo sich Dunkl eine "Willkommens-Architektur für hilfsbedürftige Menschen" wünschen würde, sehen Experten Assoziationen zu "Kaserne und Gefängnis". "Jedenfalls, dass Menschen hier in erster Linie überwacht werden", meinte auch die Grüne Gemeinderätin Sabine Gretner. Als Architektin sei sie wahrscheinlich "besonders sensibel", doch auch die Reaktionen auf ihren Kommentar in der Tageszeitung "Der Standard" hätten gezeigt, "dass ein solches Bild vielen Menschen mehr über die Haltung der Bundesregierung zu dem Thema sagt, als die ganze Debatte".

"Wir haben großartige Planer in diesem Land, die ein modernes Flüchtlingszentrum ganz anders gestalten würden. Man muss nur an die Familien denken, die hier leben würden, die Freiräume und Grünflächen brauchen - nicht diesen Aufmarschplatz in der Mitte." In die selbe Kerbe schlägt auch Christoph Riedl, Leiter des Flüchtlingsdiensts der Diakonie. "Es wirkt wie ein Lager, schaut aus wie Traiskirchen zwei." Aus den Schwierigkeiten in Traiskirchen müsse man stattdessen lernen, auf kleinere Unterbringungen je nach Betreuungsbedarf zu setzen. Wenn man schon über einen Neubau nachdenkt, dann gründlich."

"Betreuungskonzepte funktionieren nur in kleinen Gruppen, die auch räumlich so zu konzipieren sind", erklärte Riedl, der sich generell für einen möglichst hohen Grad an Individualisierung und Selbstbestimmung ausspricht. "Ganz wichtig sind Möglichkeiten, den Tag zu strukturieren, Plätze wo man sich sinnvoll aufhalten kann, vor allem natürlich für Kinder. In Traiskirchen sitzen die Menschen tagsüber in ihren Betten. Es ist kein Krankenhaus, keine Anstalt, hier leben Individuen aus verschiedenen Kulturen, und so sollen sie sich auch verhalten können." (APA)