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Meine Tochter (15), die nun auch unter die Blogger gegangen ist, beschäftigt sich seit einiger Zeit mit dem Thema Gedankenkontrolle und Zensur. Der Satz "Wer die Vergangenheit beherrscht, beherrscht die Zukunft. Wer die Gegenwart beherrscht, beherrscht die Vergangenheit“, von George Orwells "1984“ hat es ihr besonders angetan, und sie fürchtet um den Erhalt der Meinungs- und Gedankenfreiheit in ihrem zukünftigen Leben.

Schwer zu sagen, ob diese Angst berechtigt ist oder nicht, aber die beste Antwort darauf findet sich wohl in der epochalen Auseinandersetzung der wichtigsten aufstrebenden Großmacht mit der wichtigsten aufstrebenden Technologie: China gegen das Internet. Der Ausgang dieser Schlacht könnte auch den Krieg zwischen Freiheit und Tyrannei im 21. Jahrhundert entscheiden.

Die Auseinandersetzung hat in den späten neunziger Jahren begonnen und hat sich bereits mehrmals gedreht. Anfangs schien es, als ob das dezentrale und schwer zu kontrollierbare Internet das Meinungs- und Informationsmonopol der Kommunistischen Partei Chinas endgültig brechen und den Weg zum politischen Pluralismus ebnen würde.

Aber das Imperium schlug zurück. Mit riesigem Aufwand baute China einen Zensurapparat im Cyberspace auf, der chinesischen Nutzern den Zugang zu ungefilterter Information fast unmöglich machte. Die Begriffe „Tiananmen Square“ und „Dalai Lama“ sind aus dem öffentlichen Diskurs verbannt.

Verknüpft mit dem brutalen Vorgehen der Justiz gegen jeden noch so friedlichen Dissidenten schien das Orwellsche Szenario wieder plausibler zu werden.

Als Google, der Inbegriff der Suchfreiheit, sich im Jänner 2006 dem Pekinger Diktat beugte und das zensurierte Google.cn startete, schien der Kampf entschieden.

Doch er ist noch nicht vorbei. Google schüttelt endlich seine Apathie ab und wehrt sich gegen die chinesische Zensur. Der angedrohte Rückzug des Internet-Riesen wäre kurzfristig zwar vor allem von symbolischer Bedeutung – Marktführer in China ist die lokale Suchmaschine Baidu und das Regime hat klar gemacht, dass es weiterhin Zensur ausüben wird.

Langfristig aber würde sich China ohne Google von entscheidenden Entwicklungen im IT-Sektor abschneiden. Für eine Wirtschafts- und Technologiemacht ist dies keine angenehme Position.

Wichtiger aber sind noch die vielen Anzeichen, dass die Zensur nicht so lückenlos funktioniert wie es sich die Herrschenden wünschen. Neue Technologien schlagen tiefe Breschen in die Mauern der Zensur. Die Proteste in Iran haben gezeigt, wie schwierig sich Twitter kontrollieren lässt, wenn man nicht das gesamte Mobilfunknetz lahmlegen will. Auch nach den Unruhen in Xinxiang im Vorjahr drang viel mehr heraus, als es das Regime wollte.

Im ORF-Weltjournal wurde am Mittwochabend ein faszinierender Bericht eines deutschen Reporters über chinesische Internet-Journalisten gezeigt, die heldenhaft das brutale Vorgehen korrupter lokaler Kader gegen Bauern, die ihr Land verteidigen, aufzeigen. Auch wenn die Behörden diese Berichte immer wieder zensurieren, dank des Einsatzes dieser Journalisten werden im China von heute doch viele Missstände transparent gemacht.

Natürlich kann China mit Polizeigewalt alles unterdrücken, aber das geht auf Kosten seiner wirtschaftlichen Zukunft. Die Ankündigung von Google macht Hoffnung, dass China zwischen dem Anspruch auf totale politische Kontrolle und dem Streben nach wirtschaftlicher Entwicklung wird wählen müssen – und sich dann für das letztere entscheidet.

Dann hätte Technologie die Tyrannei in die Schranken verwiesen, und das würde die Befürchtungen  meiner Tochter ein wenig zerstreuen.