Den Haag - Im Streit um die niederländische Unterstützung für den Irak-Krieg hat Ministerpräsident Jan Peter Balkenende in letzter Minute eingelenkt und einen Bruch der Regierungskoalition in Den Haag abgewendet. Während einer teils dramatischen Parlamentsdebatte räumte Balkenende in der Nacht auf Donnerstag ein, dass er die US-Invasion zum Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein vor sieben Jahren "mit dem Wissen von heute" vermutlich nicht unterstützt hätte.

Einen Tag zuvor hatte der christdemokratische Regierungschef noch alle Vorwürfe wegen seiner uneingeschränkten politischen Schützenhilfe für US-Präsident George W. Bush bei der Irak-Invasion zurückgewiesen. Mit dieser Reaktion auf einen Untersuchungsbericht, in dem er scharf kritisiert worden war, hatte Balkenende bei der Opposition ebenso wie bei den mitregierenden Sozialdemokraten heftige Empörung ausgelöst. Oppositionspolitikern und Kommentatoren hatten seinen Rücktritt verlangt.

Völkerrechtliches Mandat

Die sozialdemokratische Partei der Arbeit (PvdA) hatte den Irak- Krieg stets abgelehnt. Sie war 2003 in der Opposition, als eine von Balkenende geführte bürgerlich-liberale Regierung die Invasion der USA und Großbritanniens guthieß und zur Begründung erklärte, der Krieg sei durch UNO-Resolutionen völkerrechtlich legitimiert. Dem widersprach am Dienstag eine unabhängige Kommission, gegen deren Einsetzung sich Balkenende jahrelang gesträubt hatte. Im Gegensatz zu seiner 2003 getroffenen Einschätzung habe es nie ein völkerrechtlich hinreichendes Mandat für den Irak-Krieg gegeben, erklärte Kommissionsvorsitzender Willibrord Davids.

Balkenende wies diese Haltung zunächst überraschend scharf zurück und bestand darauf, dass seine damalige Irak-Politik völkerrechtlich abgesichert gewesen sei. Den Kurswechsel vollzog der Ministerpräsident anscheinend bei einer stundenlangen Krisensitzung der Spitzen der Koalitionsregierung aus seinem Christdemokratischen Appell (CDA), der PvdA und der kleinen Partei ChristenUnie (Christenunion/CU).

"Wissen von heute"

Kurz vor Beginn der Parlamentsdebatte ließ Balkenende schließlich einen Brief an die Volksvertretung verbreiten, in dem er erklärte, er erkenne an, dass ein "adäquateres völkerrechtliches Mandat (für den Irak-Krieg) nötig gewesen wäre". In der Debatte erklärte er auf Nachfrage der Opposition: "Wenn man mit dem Wissen von heute zurückblickt, denke ich, dass man es anders gemacht hätte."

Die sogenannte Davids-Kommission hatte allerdings auch festgestellt, dass Balkenende das Fehlen eines adäquaten völkerrechtlichen Mandats für den Irak-Krieg schon damals durchaus klar gewesen sein könnte. Experten des Außenministeriums hatten darauf nämlich in einem internen Memo aufmerksam gemacht. Dieses war erst vor einem Jahr durch eine Enthüllung in die Öffentlichkeit gelangt. Erst danach hatte Balkenende der Berufung der unabhängigen Irak-Untersuchungskommission zugestimmt, die von der Opposition und den inzwischen an der Regierung beteiligten Sozialdemokraten verlangt worden war.

Bei aller Kritik gab die Kommission dem Regierungschef aber darin Recht, dass die Niederlande 2003 die Irak-Invasion tatsächlich nicht militärisch unterstützt hatten - auch nicht insgeheim, wie dies vereinzelt behauptet worden war. Erst nach dem Sturz Saddam Husseins schickte Den Haag Soldaten zur Unterstützung der US-geführten Koalitionstruppen. Dies stand im Einklang mit einer UNO-Resolution, die inzwischen verabschiedet worden war und die auch militärische Bemühungen um die Stabilisierung des Landes befürwortete. (APA)