Sofia - Die EU-Kommission gibt weiterhin keine Auskünfte darüber, ob trotz des beim Hearing im Europaparlament aufgetauchten Widerstands gegen die Ernennung der Bulgarin Rumjana Jeleva ein Alternativszenario möglich wäre. Kommissionssprecherin Pia Maria Ahrenkilde sagte am Donnerstag in Brüssel, sie habe "nichts anzukündigen". Fragen, ob Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso bereits Kontakt mit dem bulgarischen Regierungschef Bojko Borissow hatte oder ob er trotz einer wahrscheinlichen Ablehnung von Jelewa die neuen Kommissare unverändert lassen werde und das Risiko eines Scheiterns bei der Gesamtabstimmung in Kauf nehme, beantwortete Ahrenkilde mit dem Hinweis, dass sie nicht über Alternativszenarien spekuliere.

Der Anhörungsprozess im EU-Parlament sei noch im Laufen. Und man nehme derzeit nicht zu hypothetischen Annahmen Stellung. Die Sprecherin bekräftigte, dass Barroso Vertrauen in alle designierten Kommissare habe, "auf der Basis der Informationen, die er erhalten hat".

Sozialdemokraten fordern Rücktritt

Die Sozialdemokraten im EU-Parlament fordern einen Rückzug der designierten EU-Kommissarin für Entwicklungshilfe, Rumjana Jeleva. "Es wäre besser für alle Parteien, wenn die Kandidatur von Jeleva zurückgezogen wird", sagte der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Martin Schulz (SPD), der Zeitung "Die Welt". "Wir haben ernsthafte Bedenken gegenüber der Bewerberin, vor allem in fachlicher Hinsicht. Wir haben diese Bedenken Kommissionschef Jose Manuel Barroso übermittelt", fügte Schulz hinzu.

Neben den Sozialdemokraten hatten nach der Anhörung Jelewas am Dienstag auch die Grünen erhebliche Bedenken gegen die konservative Bulgarin geäußert. Die Grünen-Europaabgeordnete Ska Keller, wie Schulz aus Deutschland, kritisierte, die designierte Entwicklungshilfe-Kommissarin habe auf die Frage, wie sie die humanitäre Lage im Gazastreifen verbessern wolle, lediglich erklärt, dass sie eine Reise in das palästinensische Autonomiegebiet plane.

"Feine" Lösung

Jelewa wird geraten, selbst die Kandidatur für den Posten als EU-Kommissarin zurückzuziehen. Das sei die einzige "feine" Lösung einer Krisengruppe, welche die Regierungspartei GERB (Bürger für europäische Entwicklung Bulgariens) eilig einberufen hatte, berichtete die Tageszeitung "Dnevnik" am Donnerstag in ihrer Online-Ausgabe unter Berufung auf parteiinterne Quellen.

Dieser Schritt solle die derzeit "heikle Situation" für EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso etwas erleichtern, bis Bulgarien eine neue Nominierung gefunden habe, kommentierte die Zeitung. Auch Premier Bojko Borissow (GERB) würde dadurch von den Vorwürfen der Opposition, eine ungeeignete und schlecht vorbereitete Kandidatin vorgeschlagen zu haben, entlastet, hieß es unter Berufung auf dem Regierungschef nahestehende Quellen.

Im Kreuzfeuer der Kritik

Jelewa ist wegen unklarer Finanzverhältnisse und Mafiagerüchten im Zusammenhang mit ihrem Mann ins Kreuzfeuer der Kritik von EU-Parlamentariern geraten. Der designierten Kommissarin für internationale Zusammenarbeit und humanitäre Hilfe wurde mehrfach vorgeworfen, ihre Eigentümerschaft in einem Beratungsunternehmen verschwiegen zu haben.

Neuerlich verwies Ahrenkilde darauf, dass für Kommissare der Verhaltenskodex gelte. Dieser sei auch von der Kommission in Bezug auf die Angaben von Jelewa geprüft worden. Barroso werde natürlich dem EU-Parlament auch über Forderungen nach einer Stellungnahme zum Hearing Jelewas antworten, doch sei ein solches Ansuchen bisher nicht eingelangt.

Bulgarien hält an Jelewa fest

Die bulgarische Regierung hält trotz Protesten aus dem Europaparlament vorerst an ihrer umstrittenen designierten EU-Kommissionskandidatin Rumjana Jelewa fest. Regierungschef Bojko Borissow sagte am Donnerstag in Sofia, er wolle die Entscheidung des juristischen Dienstes des EU-Parlaments bis Montag abwarten. "Sollten die Juristen sagen, dass es keinen Interessenkonflikt gibt, dann wird es keine Probleme geben", sagte Borissow im Privatsender bTV. Er äußerte sich jedoch nicht zu einem angekündigten "Plan B" - für den Fall der Ablehnung Jelewas.

Swoboda verus Karas

Einen Schlagabtausch über die Befragung von Schelewa lieferten sich der SPÖ-Europaabgeordnete Hannes Swoboda und der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas. Swoboda meinte, es sei schade, dass die Europäische Volkspartei die Anhörung von Schelewa primär unter parteipolitischen Gesichtspunkten sehe. Die "blinde Verteidigung einer Kandidatin, die nicht unseren europäischen Standards entspricht, ist inakzeptabel". Karas wies dies zurück und sprach von einer "obstruktiven Vorgangsweise linker und grüner Abgeordneter, die eine sachliche Befragung von Schelewa nahezu unmöglich gemacht" hätten. Nun müssten zuerst die vorgebrachten Vorwürfe gegen die Integrität Schelewas geklärt werden.

"Verleumdung"

Das Europaparlament hatte zuvor damit gedroht, die Amtsübernahme der gesamten neuen EU-Kommission zu blockieren, wenn die Vorwürfe gegen Jelewa nicht geklärt würden. Bei ihrer Befragung am Dienstag war Jelewa vorgeworfen worden, dass sie in ihrem Lebenslauf private Geschäftsinteressen verschwiegen habe. Premier Borissow hatte den Vorwurf bereits als eine "Verleumdung" der oppositionellen Sozialisten und Liberalen zurückgewiesen. Der Ministerpräsident sagte, er habe mit den "wichtigen Leuten" in Brüssel gesprochen. Die konservative Europäische Volkspartei (EVP) stehe vorerst "fest" hinter Jelewa, die ihre Vize-Chefin ist. Die jetzige bulgarische Außenministerin soll in der neuen EU-Kommission für internationale Zusammenarbeit und humanitäre Hilfe verantwortlich sein. (APA)