Seit drei Tagen beschwört die in Österreich lebende Haitianerin Karine Label ihr Telefon - und der Blick in ihre E-Mail-Listen ist ihr zur Qual geworden. "Seit dem Erdbeben habe ich von der Familie meiner Mutter noch kein Lebenszeichen erhalten" , schildert die Tänzerin, die seit nunmehr 13 Jahren in Wien wohnt und Obfrau des Vereins für österreichisch-haitianischen Kulturkontakt, Aybobo, ist: "Nicht von meiner Mutter, nicht von meinen fünf Geschwistern, nicht von deren Eheleuten und Kindern."

Labels Angehörige leben im Ort Croix de Mission im Südwesten Haitis, also in einer Region, in der die Erdstöße besonders schwere Verwüstungen angerichtet haben sollen. Das Ausbleiben jedweder Nachricht macht Label völlig ratlos. Am liebsten, so sagt sie, würde sie sofort in ihre frühere Heimat reisen, "um nachzuforschen, was mit meinen Leuten passiert ist, und um zu helfen" . Vernünftiger jedoch sei derzeit, "von hier aus Hilfe zu organisieren" .

Nachrichten über Verwandte und Bekannte in Haiti hat Yolande Dreihann-Holenia durchaus - gute wie schlechte: "Meine Familie hat sich gemeldet. Alle haben es überlebt, haben nur materielle Schäden erlitten" , schildert die haitianische Honorarkonsulin in Österreich. Jedoch: "Meine beste Freundin ist bereits am Mittwoch unter Trümmern ihres Hauses gefunden worden - tot. Dieses Erdbeben ist eine Katastrophe von noch unvorstellbarem Ausmaß für alle, die mit Haiti verbunden sind."

Benefizkonzertpläne

In Österreich sind das ein paar Dutzend Menschen. Rund 30 Staatsangehörige der Karibikrepublik lebten im Jahr 2001 hier, dazu kommt eine unbekannte Zahl von Personen, die bereits eingebürgert sind. Karine Label etwa, die mit dem österreichischen Fotografen und Haiti-Kenner Sascha Osaka jetzt Pläne für eine Benefizveranstaltung wälzt, um den Bebenopfern zu helfen.

Ort und Termin seien noch nicht fix, aber eine Handvoll Künstler habe bereits zugesagt: "Die Sängerin Sandra Pires, der aus dem Kongo stammende Songwriter Prinz Zeka, der Schauspieler Erich Schleyer" , zählt Osaka auf. Kommt es zu dem Benefiz, so soll ein Großteil der Einnahmen an Ärzte ohne Grenzen gehen, die schon jetzt in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince nach eigenen Angaben hunderte Verletzte betreuen. Auf diese Art, so Label, komme die Hilfe "zu den Haitianern, die sie brauchen" . (bri, DER STANDARD - Printausgabe, 15. Jänner 2010)