Helga Rabl-Stadler hat Grund zur Freude: Der türkische Großindustrielle und Kunstfreund Ahmed Kocabiyik wird ab 2011 drei Jahre lang die Salzburger Festspiele sponsern.

Foto: Lienbacher / Salzburger Festspiele

... nachhaltiger und ausdauernder allerdings werden Kunst und Musik von privaten Sponsoren gefördert.

"Das Kulturministerium", sagt Ilber Ortayli, prominenter türkischer Rechtsgelehrter und Direktor des weltberühmten Topkapi-Museums, "ist ein ganz armes Ministerium, in Ländern wie der Türkei rangiert es weit hinten", genau drei Promille des Staatshaushaltes gäbe es üblicherweise für Kultur. Heuer, im Kulturhauptstadtjahr, wird von Staats wegen großzügig auf 350 Millionen Euro aufgestockt; 1,5 Millionen gibt die EU - wie in allen Kulturhauptstädten - dazu.

Ein nur einmaliger Geldregen, dabei, bedauert Ortayli, dabei sei Istanbul neben Prag, Salzburg, Rom und Kairo eine der immerwährenden Weltkulturhauptstädte, überreich an Kunst- und Architekturjuwelen. Allerdings, räumt er ein, "was in Istanbul fehlt, ist die Musik. Atatürk hat zwar die Staatsoper gegründet und Jugendliche zur Ausbildung nach Europa geschickt, aber immer noch ist die Musik in der okzidentalen Kultur wichtiger als in der orientalischen."

An der Behebung dieses Zustandes werkt vornehmlich ein Privatmann: Ahmed Kocabiyik, Chef der Borusan Holding, Kunstsammler und Musikfreund. 1993 gründete er das Borusan Kammerorchester, das innerhalb weniger Jahre zum Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra (Bipo) anwuchs. Nur vier Streicher sind fix angestellt, die restlichen Instrumentalisten werden aus einem Musiker-Pool rekrutiert.

Drei Milliarden US-Dollar Umsatz erwirtschaftet der Industrie-Tycoon in der Automobil-, Telekommunikations-, Stahl-, Energie- und Logistikbranche; acht Millionen gibt er jährlich für Kunst aus, ab 2011 wird es noch ein bisschen mehr. Drei Jahre lang wird er internationale Gastorchester bei den Salzburger Festspielen finanziell absichern.

Heuer machte der Mäzen seiner Kulturhauptstadt ein großzügiges Geschenk: Vor einer Woche eröffnete er in der Istiklal Caddesi, der Fußgängerzone im Stadtteil Pera, hinter der Fassade eines Jugendstilhauses ein hypermodernes, sechsstöckiges Kunstzentrum für Musik, Tanz und bildende Kunst. Geradezu programmatisch fürs Haus: Brigitte Kowanz' Lichtobjekt Art Infinitum und die Installation Listen to your Eyes des Florentiners Maurizio Nannucci.

Annäherung an Weltspitze

Dreimal wöchentlich werden hier nationale und internationale Musiker konzertieren, heute Abend etwa die Österreichische Barock Company. Der wichtigste Österreicher im Borusan-Kultur-imperium aber ist Sascha Goetzel, seit einem Jahr Bipo-Chefdirigent. Heute Abend präsentiert der 39-Jährige die erste CD mit dem Bipo, unter anderem mit Werken von Paul Hindemith, der seinerzeit die türkischen Musikinstitutionen gründlich reformierte.

"So wie damals Hindemith als Komponist habe ich vielleicht jetzt das Glück, etwas aufbauen zu dürfen, was bleibt", sagt Goetzel. "Was gibt es für einen Dirigenten Schöneres, als Klang, Charakter, Interpretation formen und Dinge ausprobieren zu können: mit einem Toporchester, das aber nicht immer im Spotlight steht. Meine Vision ist die Annäherung des Bipo an die Weltspitze." Im Juli wird das Orchester dieser Vision einen Schritt näherkommen: Das Bipo wird beim Eröffnungsfest der Salzburger Festspiele in der Felsenreitschule auftreten. "Es ist ja schon erstaunlich", streut Markus Hinterhäuser, Salzburgs Musikchef, Ahmed Kocabiyik Blumen: "Während in Europa Orchester zur Disposition stehen, gründet hier ein Privatunternehmer eines und dotiert es anständig."

Ab und zu dürfen auch Istanbuls Topmanager ans Bipo-Dirigentenpult - und müssen dafür teuer bezahlen. Mit ihren Auftrittsgeldern dotiert Kocabiyik Künstlerstipendien. Einer der ersten Laiendirigenten war der Multimilliardär Rahmi Koç. Der Stiftung von dessen Tochter und deren Mann wiederum verdankt Istanbul ein Forschungszentrum und seit 2005 das Pera-Museum in der Meºrutiyet Caddesi. Das berühmteste Bild der Sammlung, Der Schildkrötenerzieher von Osman Hamdi Bey, brach 2004 mit 3,5 Millionen Euro alle türkischen Auktionsrekorde.

Ein Kulturzentrum nach Plänen von Frank Gehry wartet seit Jahren auf Baugenehmigungen - übrigens die einzige Unterstützung, die die Suna-Inan-Kiraç-Foundation von Staat und Stadt erwartet. (Andrea Schurian aus Istanbul/ DER STANDARD, Printausgabe, 15.1.2010)