Für Michael Häupl (SP) wären auch 15 Prozent Beteiligung kein Misserfolg - bindend wird das Ergebnis für ihn in jedem Fall sein.

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Mit ihm sprachen Bettina Fernsebner und Martina Stemmer.

STANDARD: Auf dem Stimmzettel zur Volksbefragung lässt sich zu einigen Punkten die Meinung der SPÖ herauslesen. Ersparen Sie sich damit teure Wahlwerbung und würgen gleichzeitig missliebige Vorschläge der Opposition ab?

Häupl: Ich halte das ehrlich gesagt für eine Denunziation von Leuten, die nicht wirklich die Instrumente der direkten Demokratie wollen. Ich will einfach wissen, was die Leute dazu meinen. Es mag sein, dass man beispielsweise bei den Hausmeistern oder bei der Ganztagsschule erahnt – und mit Sicherheit auch weiß – was ich dazu meine. Weil ich zu beiden Themen wiederholt meine Meinung gesagt habe. Trotzdem fragen wir's ab.

STANDARD: Um zu erfahren, was die Wiener wollen, würden einfache Ja-Nein-Fragen wohl reichen. Bei der Citymaut wird vor der Frage aber erst einmal aufgezählt, was die Stadt in den letzten Jahren alles gemacht hat, um den Verkehr zu reduzieren.

Häupl: Gerade bei der Citymaut ist überhaupt nichts suggestiv, das ist eine ganz klare Frage. Aber ich erlaube mir zu meinen, dass das System, das wir zur Parkraumbewirtschaftung aufgebaut haben, besser ist.

STANDARD: Bereiten sich die Wiener Linien deshalb auch bereits auf eine Umstellung auf 24-Stunden-U-Bahn am Wochenende vor, während es bei der Citymaut überhaupt keine Vorarbeiten gibt?

Häupl: Das ist ja wohl ein gravierender Unterschied. Ob ich ein neues Konzept entwickle für den Nachtbus – da brauche ich keine externen Studien vergeben -, oder ob ich grundsätzlich ein System für die Citymaut ausarbeite.

STANDARD: Man hat aber auch innerhalb der Stadtverwaltung ein paar Verkehrsexperten, die sich grundsätzlich überlegen könnten, ob eine Citymaut an der Stadtgrenze, am Ring oder am Gürtel Sinn hätte.

Häupl: Die denken eh auch darüber nach. Aber ich denke, dass auch Mittel für Studien effizient einzusetzen sind.

STANDARD: Bei der Frage zur Ganztagsschule bedeutet "flächendeckend", dass in jedem Bezirk mindestens eine Pflichtschule ganztägig geführt werden soll. Das wären dann 20 neue. Ist das nicht sehr bescheiden?

Häupl: Bei der Ganztagsschule geht es darum, den Wunsch der Bevölkerung deutlich zu machen, um damit neue Diskussionen zu eröffnen, und – so hoffe ich auch – neue Mehrheiten zu finden.

STANDARD: Für die Hausmeister brauchen Sie auch die Volkspartei im Bund. Sonst können Sie sie auch nach der Volksbefragung nur im Gemeindebau wieder einführen.

Häupl: Ja. Aber natürlich werden wir dann auch mit privaten Wohnbauträgern reden. Nur da wird es schon auch von der Beteiligung und vom Prozentsatz abhängen. Denn wenn das ein völlig klares Votum wird, dann bin ich neugierig, wie sich die ÖVP entzieht.

STANDARD: Apropos Beteiligung: Sie haben gesagt, 25 Prozent wären ein Erfolg. Was wäre ein klarer Misserfolg?

Häupl: Es wäre nicht gut, wenn die Leute nicht hingehen würden.

STANDARD: Wenn's nur 15 Prozent werden, wäre das noch ein Arbeitsauftrag?

Häupl: Da werde ich mich nicht festlegen, dass es plötzlich ein Misserfolg ist, wenn es 15 Prozent sind. Das ist ja nicht mein Miss- erfolg.

STANDARD: Aber politisch kämen Sie dann schon in Argumentationsnotstand.

Häupl: Dann kommen sicher einige, die sagen, das sind nur so wenige, warum ist das plötzlich bindend? Ich kann nur davor warnen, dass man direkte Demokratie als Utilitarismus auslegt. Sowohl von den Grünen als auch der ÖVP kommt dann der Vorwurf, dass es nur dann Demokratie ist, wenn die Fragen von ihnen gestellt werden – und dass das herauskommt, was sie meinen. Das, was man uns eigentlich vorwirft, wird von dieser Seite so ausgelegt.

STANDARD: Warum kamen keine gemeinsam formulierten Fragen zustande?

Häupl: Ich habe mich doch wirklich bemüht, etwa in der Frage der ganztägigen Schule oder der City-Maut zu gemeinsamen Formulierungen zu kommen. Aber wir haben eben unterschiedliche Anschauungen.

STANDARD: Sie haben die Volksbefragung aber auch im Alleingang angekündigt und gleich zwei Fragen vorgeschlagen.

Häupl: Jetzt bitte nicht bös' sein, aber ein bissel darf ich schon noch in der Stadt regieren mit einer Mehrheit von fast 50 Prozent. Mit der Ankündigung habe ich die Oppositionsparteien eingeladen. Da war eine Schrecksekunde, dann hat es geheißen, es sei ein Skandal, dass die Mehrheitsfraktion eine Volksbefragung will. Es wäre mir wirklich lieber gewesen, wenn wir das hätten gemeinsam machen können.

STANDARD: Wenn Sie im Herbst die absolute Mehrheit verlieren, ist das eigentlich für Sie noch ein Arbeitsauftrag als Bürgermeister?

Häupl: Ich verliere die Absolute nicht.

STANDARD: Und wenn doch?

Häupl: Wenn-Fragen sind würdelos – und zwar nicht nur in der Grammatik.

STANDARD: Dann zurück zu Ihren eigenen Fragen: Bei welchen der fünf glauben Sie zu wissen, wie die Wiener Bevölkerung abstimmen wird?

Häupl: Es sind sich zum Beispiel immer alle so sicher, dass die Frage zur Einführung der City-Maut mit Nein ausgehen wird – ich gar nicht. Ich bin mir auch nicht so sicher, ob die Frage nach der 24-Stunden-U-Bahn am Wochenende mit Ja ausgehen wird. Ich bin mir ziemlich sicher, was die ganztägigen Schulformen und was die Hausmeister angeht, nämlich dass ein Ja herauskommt.

STANDARD: Und beim Hundeführerschein?

Häupl: Da glaube ich, ja. Da werden Experten noch genau zu definieren haben, welche Rassen zu Kampfhunden gehören. Ich halte das ja weniger für eine zoologische sondern eher für eine politische Frage. Das Problem liegt wie beim Hundedreck am anderen Ende der Leine.

STANDARD: Es hängt also doch nicht so sehr von der Hunderasse ab?

Häupl: Gut, ein Chihuahua ist jetzt kein besonderer Kampfhund. Und leicht zum Abwehren. (Bettina Fernsebner/Martina Stemmer, DER STANDARD – Printausgabe, 15. Jänner 2010)