Essen ist nun also Kulturhauptstadt - stellvertretend für das Ruhrgebiet. Dass die wenig reizvolle Industriestadt diesen Titel überhaupt zugesprochen bekam, ist in erster Linie einem außerordentlichen Kulturpolitiker zu verdanken. Er heißt Oliver Scheytt und brennt für die Idee, das Ruhrgebiet mithilfe von Kultur wieder hochzubringen.
Sechzehn Jahre lang, von 1993 bis 2009, war der Sozialdemokrat "Beigeordneter für Kultur". Hierzulande würde man sagen: Er war Kulturstadtrat. Die Funktion hat er vor knapp einem halben Jahr aufgegeben, um sich ganz der Kulturhauptstadt zu widmen.
Zum Nachfolger wählte die Stadtregierung Andreas Bomheuer. Das Besondere ist: Dieser Mann, zuvor Kulturamtschef in Bonn und Kulturdezernent in der Nachbarstadt Hattingen, ist parteilos. Er wurde, obwohl er aus der alternativen Szene kommt, von der CDU vorgeschlagen - und die anderen Parteien, auch die SPD, wählten ihn. Weil er ein echter Fachmann ist.
Da macht der leidgeprüfte Österreicher große Augen. Und dann erfährt er, dass auch Simone Raskob, seit 2005 Beigeordnete für Umwelt und Bauen, parteilos ist. Die Dezernentin war Stadtbaurätin in Göttingen, sie arbeitete mehrere Jahre in Dänemark und Frankreich. Auch sie wurde bestellt, weil sie das Geschäft kennt - und nicht, weil sie den Bürgermeister duzt. Von Essen könnte Wien einiges lernen. (Thomas Trenkler / DER STANDARD, Printausgabe, 15.1.2010)