Es gab kaum Kritik. Hahn will integrierte Regionalpolitik - mehr Innovation, Wissen, Ökologie.
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Seit Mitte Dezember, auch über die Weihnachtsfeiertage und Neujahr hinweg hat sich Wissenschaftsminister Johannes Hahn intensiv für den Auftritt im Regionalausschuss vorbereitet. "Sehr zurückgezogen, bei der Familie" in Wien habe er die Unterlagen studiert, die die EU-Dienste dem designierten Kommissar für Regionalpolitik aufbereitet haben, hieß es in seinem Umfeld. Er sei "ganz auf Englisch" gebrieft.
Nachdem Hahn am Donnerstag um 16.30 Uhr zu den EU-Abgeordneten in Sitzungssaal JAN2Q2 geleitet worden war, ging es dennoch gleich auf Deutsch los. Keine unkluge Entscheidung.
Viele Kommissarskandidaten, wie am Vormittag auch der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger, der zum Thema Energiepolitik eine gute Figur machte, entschieden sich im Zweifel ganz für die Muttersprache. Das schafft Sicherheit, insbesondere wenn es um eher sperrige, sehr technische Materien geht wie etwa Regionalförderung. Auch bei Hahn, dem eine gewisse innere Anspannung bei aller zur Schau gestellten Gelassenheit anzusehen war. Anzeichen dafür: Er sprach zu Beginn sehr laut - als wäre er bei einer Wahlrede im Freien. Die Abgeordneten des Regio-Ausschusses gelten aber eher als leise Fachleute. Politisches Spektakel ist dort selten.
Ein Schwergewicht
Hahns künftiger Arbeitsbereich im Team von Präsident José Manuel Barroso umfasst mehr als ein Drittel des gesamten EU-Budgets, das als Regionalförderung in die strukturschwachen Gebiete der Union verteilt wird - mehr als 400 Milliarden Euro in der sieben Jahre dauernden Budgetperiode. Ein dafür zuständiger Kommissar gilt als Schwergewicht - wichtig insbesondere für die Osteuropäer.
In seinem Einleitungsstatement streicht der Wissenschaftsminister hervor, was er den Abgeordneten bereits schriftlich versichert hat: dass er im Grunde einer von ihnen sei, dass er eigentlich aus der Regionalpolitik komme. In Wien, so der "Kommissarsanwärter" , wie er dann immer wieder angesprochen wird, habe er schon als ganz junger Politiker gelernt, dass die Regionen die "Brückenfunktion" zwischen der Tätigkeit der EU-Institutionen und den Bürgern haben. Und er sei bereits als Jugendfunktionär in den 1980er-Jahren für den Beitritt Österreichs zur Gemeinschaft eingetreten.
Die Abgeordneten bittet er um Unterstützung, deren Wissen brauche er bei den geplanten Reformen in seinem Bereich. Die künftige Kohäsionspolitik müsse jedenfalls auf einer Linie sein mit der Wirtschaftsreformstrategie "Europa 2020", postuliert er.
Gegen Renationalisierung
Er wolle einen integrierten Ansatz für die Regionalpolitik, "in der Innovation, Klimaschutz und Energiewende" nicht nur Schlagworte seien. "Absolut" sei er gegen eine Renationalisierung der Regionalpolitik. Nach einigen spezifischen Fragen zu Reformen meint er später, er verstehe sich "nicht als Anwalt, ich würde mich eher als Vater, als Papa der Regionen sehen" , der schaue, dass es allen Kindern gut gehe.
Als weitere Priorität seiner Arbeit nennt er "eine neue Stadtpolitik für Europa" . Dort entstünden die Lebenszentren der Zukunft, dort werde viel Energie verschwendet, dort sei viel zu tun.
Höchste Priorität sei es auch, die Transparenz im seinem Bereich zu erhöhen. Bei Missbrauch vertrete er eine Politik der "Nulltoleranz" . Nach Prüfberichten des Rechnungshofes sind Struktur- und Regionalförderung besonders betrugsanfällig. Mehr als zehn Prozent der Gelder werden "fehlerhaft" verwendet. Hahn: "Auch wenn hier schon viel passiert ist, wir brauchen dazu klare Regeln."
Es dauert fast eine Stunde, bis Hahn von der deutschen Grünen Elisabeth Schroeter auf die von Peter Pilz in Österreich kolportierten Vorwürfe von angeblichen Steuermanipulationen bei "Novomatic" angesprochen wird, seinem früheren Arbeitgeber. Hahn weist dies dezidiert zurück: "Das hat nicht stattgefunden" , und er sei zum inkriminierten Zeitpunkt nicht bei dieser Firma gewesen.
"Gegen mich läuft nichts" , hält er später dem FPÖ-Abgeordneten Franz Obermayr entgegen, der einen zweiten Anlauf nimmt. Abgesehen davon gab es in der drei Stunden dauernden Anhörung keine Kritik am Kandidaten, im Gegenteil. Viele Mandatare bekundeten, dass sie mit seinen Zielen eines "integrierten Politikansatzes" konform gingen. Eine gute Bewertung schien Hahn am Ende sicher. Er bedankte sich für die "Anhörung, die mehr eine Diskussion war". (Thomas Mayer aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 15.1.2010)