Was Lois Hechenblaikner vorführt, ist nicht der oft beschworene "Blick hinter die Kulissen" , im Gegenteil, er zeigt die Kulissen bewusst als reale Benutzeroberflächen des modernen Alpenbenützers (und -bewohners).
Dabei ist den Bildern mitunter eine seltsame Unschuld des Vorübergehenden eigen; sie erwecken den Eindruck, dass in den eingefangenen Szenerien sich auch wieder ganz anderes ereignen könnte. Die bizarren Hinterlassenschaften der alpinen Events à la Zillertaler-Schürzenjäger-Konzert oder Ischgler "Top of the Mountain" , fast wie unfreiwillige "Land-Art" ins Bild gesetzt, erscheinen auch in ihrer ganzen Vergänglichkeit. Am "Sammelplatz" (der Skischule) sieht man dann eine Gastronomiekraft in weißer Kittelschürze die beim Après-Ski liegen gebliebenen Flaschen einsammelt.
Stutzig macht bei der Bildlektüre ein augenscheinliches Paradox: Diese Alpen erscheinen als Raum, der alles Selbsterklärende verloren hat. Während die Fotografien, die Lois Hechenblaikner aus dem Archiv - vor allem des Agraringenieurs Armin Kniely - gezogen hat, aller Informationssysteme entbehren, sind die gestalteten Landschaften und Innenräume, vollgeräumt mit Schriftzügen, Tafeln, Logos und Hinweisen.
Selbst die Kuhstall-Bar hat ihre Beschriftungen, obwohl sie so augenscheinlich signalisiert, was sie sein will und was sie bieten kann. Deshalb braucht der alpine Alltag wohl auch Exegeten wie Lois Hechenblaikner, die diese "zur Kenntlichkeit entstellten" Räume durch die Übersetzung in andere Kommunikationszusammenhänge in ihrer ganzen Brüchigkeit überhaupt noch zu erkennen helfen. (Bernhard Tschofen, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 16./17.01.2010)
Hinweis:
Lois Hechenblaikner, "Hinter den Bergen. Eine Heimatkunde" . Texte von Thomas Weski und Wolfgang Ulrich. Heidelberg, Edition Braus, 2009, € 29,90 / 120 Seiten, 25 x 22 mm, 100 Bilder, Hardcover, ISBN 978-3-89466-300-1
Zur Person:
Bernhard Tschofen, geb. 1966 in Bregenz, studierte Kulturwissenschaft in Tübingen. Seit Dezember 2004 ist er Professor am Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft/Völkerkunde an der Universität Tübingen.