Wien - Außenminister Michael Spindelegger fordert im Interview mit dem Standard, dass auch Uni-Absolventen aus Nicht-EU-Staaten in Österreich arbeiten dürfen. Spindelegger: "Wer hier sein Studium abschließt und einen Job findet, soll auch hier arbeiten dürfen. Es ist seltsam, wenn wir den Leuten ein Studium ermöglichen, sie nach Abschluss dann aber nach Hause schicken. Das ist auch nicht im Sinn der Volkswirtschaft. Diese Regelung sollten wir großzügiger gestalten."
Davon betroffen wären etwa 20.000 ausländische Studentenan österreichischen Universitäten. Pro Jahr beenden etwa 1200 solcher Drittstaatsangehöriger ihr Studium in Österreich.
Spindelegger fordert außerdem, dass die jetzige Quotenregelung an den österreichischen Unis, die den Zugang ausländischer Studenten regelt, fix ins EU-Recht übernommen wird. Das könnte im Zuge des EU-Beitritts Kroatiens erfolgen. Drohen wolle Spindel-egger der EU nicht, aber man müsse sehr vehement auftreten: "Es geht um Drohungen, sondern um lösungsorientierte Verhandlungen."
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Standard: Wie ist die Stimmung in der Regierung? Der Streit um das Erstaufnahmezentrum für Flüchtlinge in Eberau ist in eine handfeste Koalitionskrise gemündet.
Spindelegger: Jetzt gibt es einen gemeinsamen Weg. Der sollte am Ende des Monats zu ersten konkreten Schritten führen. Natürlich gibt es Meinungsdifferenzen. Wir haben in diesem Jahr eine ganze Reihe von großen Fragen anzugehen, und da ist das Erstaufnahmezentrum eine davon. Aber es kann ein gemeinsamer Weg gefunden werden. Darum sehe ich die Koalition auch nicht in der Krise.
Standard: Was halten Sie von der derzeitigen Flüchtlingsdebatte? Die Landeshauptleute agieren nach dem Floriani-Prinzip: "Verschone mich und zünde lieber das Haus des Nachbarn an." Wer soll entscheiden, wo ein drittes Asylzentrum errichtet werden soll?
Spindelegger: Die Entscheidung muss natürlich bei der Bundesregierung liegen. Sie ist zuständig. Aber die ganze Debatte hat einen Vorteil: Jetzt wird diese Problematik in der Bevölkerung, auch an den Stammtischen diskutiert. Das ist deshalb gut, weil es zeigt, die Regierung erkennt die Probleme und sie handelt im Sinne der Österreicherinnen und Österreicher.
Standard: Sie glauben ernsthaft, dass an Stammtischen Fakten diskutiert werden? Da geht es doch nur um Ängste und Vorurteile.
Spindelegger: Es geht natürlich auch um Ängste. Darum ist es gut, wenn die Bundesregierung Fakten setzt und zeigt, dass sie die Ängste der Bürger ernst nimmt und etwas tut. Auch die Länder sind gefordert, sich konstruktiv einzubringen.
Standard: Gerade bei den Landeshauptleuten schreit jeder nur: "‚Ich will die Flüchtlinge nicht haben!" Ist das die Vorbildfunktion der Politik für die Bürger?
Spindelegger: Da muss man schon differenzieren. Wir haben zwei Erstaufnahmezentren. Und dort müssen menschenwürdige Bedingungen herrschen. Ich glaube, alle sind sich einig, dass wir weitere Schritte setzen müssen, dass wir die ganze Belastung nicht nur wenigen zumuten können.
Standard: Braucht es Ihrer Meinung nach ein drittes Aufnahmezentrum oder viele kleine in jedem Bundesland?
Spindelegger: Bevor man sich auf viele kleine Lager einigt, sollte man erst einmal schauen, wo überhaupt ein neues Erstaufnahmezentrum gefunden werden kann. Die wachsen ja nicht wie die Schwammerln aus dem Boden.
Standard: Finden Sie auch, dass sich Kärnten aufdrängen würde?
Spindelegger: Klar ist eines, und da sprechen die Fakten für sich: Wer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, wird sicherlich unter Druck kommen.
Standard: Haben Sie Kanzler Faymann schon für die europäische Sache begeistern können?
Spindelegger: Ich arbeite sehr gut mit ihm zusammen. Die Stimmung ist durchaus positiv. Das ständige Befasstsein mit europäischen Thematiken führt zu einer, ich möchte nicht sagen Liebe, aber zu einer stärkeren Zuwendung zur EU. Auch auf den Kanzler wirkt letztlich so etwas wie ein "Spirit of Europe" .
Standard: Ein Thema, das auf EU-Ebene noch einmal verhandelt werden muss, ist die Quotenregelung für die österreichischen Universitäten, die jetzt lautet: 75 Prozent Österreicher, 20 Prozent EU-Bürger, das sind im Wesentlichen Deutsche, und fünf Prozent für den Rest der Welt. Die Regelung läuft 2012 aus. Wie soll dieses Problem gelöst werden?
Spindelegger: Man sollte dieses Problem jetzt ein für alle Mal lösen: Wenn keine andere Lösung gefunden wird, muss aus unserer Sicht unsere jetzige Ausnahmeregelung langfristig im EU-Primärrecht verankert werden. Auch der europäische Gesetzgeber muss erkennen, dass es nicht sein kann, dass bei zwei Nachbarländern, die die gleiche Sprache haben, der Kleinere unter Druck gerät. Da besteht ja die Gefahr, dass alle Studienplätze, die wir haben, von deutschen Studenten überlaufen werden. Darum sollten wir eine wasserdichte Lösung im EU-Vertrag verankern. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, das Thema aufzugreifen. Es gibt eine neue Kommission. Das Moratorium, das wir haben, sollte nicht auslaufen, ohne dass wir eine Ersatzlösung haben. Es kann nicht sein, dass wir gezwungen werden, auch einen Numerus clausus einzuführen.
Standard: Aber die EU ist von Quoten nicht sonderlich angetan.
Spindelegger: Aber wenn man die Fakten auf den Tisch legt, muss auch die EU erkennen, dass man das Problem gemeinsam lösen muss.
Standard: Und diese Lösung würde nur Österreich und Deutschland betreffen? Ähnliche Probleme gibt es auch in den französischsprachigen Ländern.
Spindelegger: Wenn es im EU-Recht verankert wird, dann wird es natürlich eine europäische Lösung sein. Auch Frankreich und Belgien haben solche Probleme. Es wäre erstrebenswert, wenn wir das bis zum EU-Beitritt Kroatiens lösen könnten.
Standard: Soll das eine Drohung sein? Könnte Österreich den EU-BeitrittKroatiens sonst blockieren?
Spindelegger: Es geht nicht um Drohungen, sondern um lösungsorientierte Verhandlungen. Aber man muss vehement auftreten, sonst erreicht man nichts.
Standard: Anders als bei Deutschen müssen Studenten, die nicht aus der EU kommen, nach dem Studium das Land gleich wieder verlassen. Ist das nicht seltsam, dass die nicht arbeiten dürfen?
Spindelegger: Seltsam ist, das wir Drittstaatsangehörigen das Studium ermöglichen, sie dann aber nicht hier arbeiten lassen. Das sollten wir großzügiger regeln. Wer hier ein Studium absolviert hat und einen Job findet, soll hier auch arbeiten dürfen. Da hat auch die Volkswirtschaft etwas davon. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 16.01.2010)