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Szilagyi: "Tempo raus, nicht gleich den ersten Wurf riskieren. Ich hoffe, wir sind weit genug"

Foto: AP/ Joensson

Standard: Am Dienstag und gegen Dänemark steigt Österreichs erste EM-Partie - worum geht's in den letzten Vorbereitungstagen?
Szilagyi: Die körperlichen Voraussetzungen sollten schon da sein. Jetzt geht's um gewisse Abstimmungen, um Taktik, um ganz bestimmte Spielzüge. Konkret auf die Dänen werden wir uns erst in den letzten zwei Tagen einstellen. Im Prinzip konzentrieren wir uns auf unser Spiel.

Standard: Oft war zu hören und zu lesen, dass nach den Partien gegen Dänemark und Island das letzte Gruppenspiel gegen Serbien über den Aufstieg in die Hauptrunde entscheiden könnte. Beeinflusst Sie das, und ist das so?
Szilagyi: Es wäre ein schwerer Fehler, so zu denken oder sich beeinflussen zu lassen. Ich kann kaum qualitative Unterschiede bei den drei Gegnern feststellen. Wir müssen eiskalt jede Chance nützen, ganz egal, wer sie uns gibt.

Standard: Muss man also darauf hoffen, dass zumindest einer der Gegner schwächelt?
Szilagyi: Dazu, dass der Gegner schwächelt, kann man ja selbst viel beitragen. Wir müssen also auf unserem Limit spielen, wenn wir etwas erreichen wollen.

Standard: Wenn Sie Handball beschreiben - was ist für Sie das Faszinierende an diesem Sport?
Szilagyi: Handball setzt sich aus vielen Faktoren zusammen. Schnelligkeit ist wichtig, körperliche und geistige. Man muss in kürzester Zeit Entscheidungen treffen. Es gibt Körperkontakt, kommt auf Taktik an. Vor allem ist Handball ein Mannschaftssport, man gewinnt und verliert gemeinsam.

Standard: Ist Handball härter, brutaler als andere Sportarten?
Szilagyi: Handball ist sicher hart. Aber Handballer bringen auch andere Voraussetzungen mit als viele andere Sportler. Bei vielen Handballern spielt allein die Masse, das Gewicht, eine wesentliche Rolle. Die Masse hilft einem, sich in Zweikämpfen durchzusetzen. Ein Volleyballer, der nie Körperkontakt hat, wiegt vielleicht weniger. Dafür kann er höher springen als der Handballer.

Standard: Sind Handballer öfter und schwerer verletzt als andere Sportler?
Szilagyi: Es gibt regelmäßig Wehwehchen. Aber wirklich schwere Verletzungen sind selten. Und sie sind weniger auf böse Fouls als auf Überbelastung zurückzuführen. Der Spielplan in vielen Ligen ist extrem dicht. Ich hab' seit September dreißig Pflichtspiele intus.

Standard: Österreichs EM-Team setzt sich aus Legionären und Spielern aus der österreichischen Liga zusammen. Eine gute Mischung?
Szilagyi: Das passt schon. Als Legionär wirst du Woche für Woche auf höchstem Niveau gefordert. Die HLA in Österreich ist weniger hart. Aber ein Vorteil könnte sein, dass HLA-Spieler ausgeruhter sind.

Standard: Speziell in Anfangsphasen etlicher Tests hatte das Team Probleme, es lief oft einem Rückstand nach. Hat man daraus Lehren gezogen?
Szilagyi:
Positiv ist, dass wir oft herangekommen sind, Partien umgedreht haben. Manchmal hat uns Konstanz gefehlt, wir konnten nicht sechzig Minuten auf einem Niveau durchspielen. Aber jede Mannschaft  hat einige Minuten, in denen gar nichts geht. Da muss man Tempo rausnehmen, nicht gleich den ersten Wurf riskieren. Uns fehlt da vielleicht die Erfahrung. Ich hoffe, bei der EM sind wir weit genug.

Standard: In den letzten Tests war Österreich mit den Referees unzufrieden. Sind Handball-Schiedsrichter mächtig, zu mächtig?
Szilagyi: Der Sport hat sich schneller professionalisiert als die Schiedsrichter. Handball ist, wie gesagt, sehr, sehr schnell. Und die Schiedsrichter müssen alle paar Sekunden eine Entscheidung treffen. Dabei gibt's viele sehr enge Situationen, die man so oder so entscheiden kann. Wenn bei zehn solchen 50:50-Situationen sechsmal in eine und nur viermal in die andere Richtung entschieden wird, kann das viel ausmachen.

Standard: Besteht die Gefahr, dass von der EM, wenn es sportlich nicht so läuft wie erhofft oder erträumt, recht wenig bleibt?
Szilagyi: Die EM kann viel bewirken. Das Marketing ist überragend, in den Spielorten kriegt man seit Wochen schon sehr viel mit, auch in Deutschland war die EM pausenlos ein Thema. Diese Stimmung muss man nutzen. Und wir Spieler können viel dazu beitragen, dass die Euphorie keine kurzfristige bleibt. Wir wollen nicht sympathisch sein, nicht nur kämpfen und mithalten - sondern auch gewinnen.

Standard: Im März 2008 hat Dagur Sigurdsson als Teamchef den Deutschen Rainer Osmann abgelöst - was hat sich verändert?
Szilagyi: Es war auch mit Osmann eine gute Zeit, aber vielleicht hatte sich im Lauf der Zeit einiges abgenützt. Sigurdsson hat ein moderneres System hineingebracht. Er war selbst ein Weltklasse-spieler, noch dazu Mittelmann, setzt sich intensiv mit Handball auseinander.

Standard: Oft ist von einer isländischen oder skandinavischen Schule die Rede. Wird sie von Sigurdsson gepredigt?
Szilagyi: Früher gab's diverse Handball-Schulen, die skandinavische, die russische, die jugoslawische. Da aber heute so viele Trainer und Spieler im Ausland tätig sind, hat sich viel vermischt. Wir orientieren uns sicher an Island. Wir konzentrieren uns also auf eine starke, sichere Abwehr. Und wir gehen mit Tempo, Mut und Instinkt nach vorn.  (Fritz Neumann, DER STANDARD, Printausgabe, Samstag 16. Jänner 2010)