Marjana Lipovsek entdeckt das Musical.

Foto: Volksoper

Wien - Ist Marjana Lipovsek die Nettigkeit in Person? Ist sie. Die Frau, die auf allen Weltbühnen schon alles war - Mörderin und Ermordete, Hexe und Kaiserin, Amme und Schnuckiputzi - ist als sie selbst ein Mensch von furioser Freundlichkeit. Weil man wegen eines Missverständnisses eine Viertelstunde im Kalten hat warten müssen, gibt‘s einen Kaffee, später Literaturtipps zur Lebensqualitätsverbesserung und final die herzlichste Umarmung ever!

Zwischen Kaffeekochen und Umarmung erzählt die gebürtige Slowenin auch, wie es zu ihrem simultanen Volksopern- und Musicaldebüt kam: " Herr Straßer, der Chef des künstlerischen Betriebsbüros, hat mich angerufen und gefragt, ob ich bei South Pacific mitmachen wolle; ich hab gesagt, ich hab‘ keine Ahnung, was das ist. Er hat dann gemeint, das sei ein Musical, und ich solle dort die ‚Bloody Mary‘ singen. Und der Name hat mir so gut gefallen, dass ich gesagt habe:, passt, das nehm‘ ich ung‘schaut!"

Sie hat es nicht bereut: Das Stück des US-amerikanischen Erfolgsduos Rodgers & Hammerstein gefalle ihr gut, die Proben mit Kollegen Ferruccio Furlanetto und Sandra Pires geschähen professionellst, und Dirigent David Levi sei in diesem Genre eine Kapazität. An ihrer Partie behagt ihr nicht nur der Ohrwurmfaktor des Hits "Bali Ha‘i" , sondern auch dessen Inhalt: "Die Nummer hat so viel Tiefe: wenn Sie den Text durchlesen - das ist ja fast Freud! Denn mit Bali Ha‘i ist die Insel gemeint, die in einem selbst drin ist, das eigene Zentrum, der Punkt, wo man in sich ruht. Danach sucht man doch ein ganzes Leben lang!"

Und schwärmt schon weiter: "Was ich an dem Stück noch so schön finde, ist die Wandlung von Nellie und dem Cable. Nellie liebt einen Mann, der Kinder mit einer Polynesierin hat, und der Cable liebt sozusagen meine Tochter, auch eine Polynesierin. Beide trauen sich zuerst nicht, diejenigen zu heiraten, die sie lieben, auf Grund kleinbürgerlicher Vorurteile. Das Duett im zweiten Akt, in dem das thematisiert wird, ist die bewegendste Nummer des Musicals! Wunderbar!"

Noch einen Kaffee? Danke, nein. Aber vielleicht ein kurzes Resümee ihres künstlerischen Lebens? "Ach, auf meine Karriere blicke ich zurück mit einem Gefühl großer Dankbarkeit. Ich wollte nie ein Star werden, ich wollte einfach nur Musik machen! Dass ich es so weit geschafft habe, ist ein Geschenk."

Ein Geschenk, das sie an ihre Studenten weitergeben möchte: "Ich liebe das Unterrichten! Ich werde unterrichten, solange ich mich rühren kann!" Was lehrt sie ihre angehenden Bühnenstars? "Sie müssen zuallererst wissen, wer sie sind und was sie zu sagen haben. Sie müssen zu sich finden." Auf nach Bali Ha'i. (end, DER STANDARD/Printausgabe, 16./17.01.2010)