Wir schreiben hiermit einen Wettbewerb für die originellste Schutzbehauptung von Politikern aus, die bei etwas ertappt wurden. Klassiker von Weltgeltung wie "Ich habe nicht inhaliert" (Bill Clinton) kommen ebenso in die Wertung wie das schlicht-provinzielle "Ich habe ein reines Gewissen" (Uwe Scheuch) oder das "Es war alles total transparent" von Karl-Heinz Grasser, um ein paar Beispiele aus der jüngeren heimischen Vergangenheit zu nennen. Teilnahmebedingung ist nur, dass die Rechtfertigung besonders dreist ist und jeder Faktenlage und jeder Vernunft widerspricht. Interessant wären auch Beiträge von Politologen oder Soziologen, wie es zu dieser Häufung frecher Behauptungen mit eiserner Stirn kommen konnte (jetzt bezogen auf das österreichische Biotop).

Eine Vermutung ist, dass ein Zusammenhang mit der Kultur des "Alles geht", "Alles kann gesagt werden" besteht. Erst einmal abstreiten, irgendwer wird es schon glauben. Und der Rest ist verwirrt. Die Gutwilligen meinen: "So krass kann doch der nicht lügen" oder geben zumindest einen Zweifelsbonus. In den Krawallblättern läuft folgender Mechanismus ab: Zuerst die Anklage, dann, damit die Sache am Kochen gehalten werden kann, die Gegenbehauptung ("XY schlägt zurück!", "XY: Die Abrechnung"). So wird's gemacht, und viele kommen damit durch, zumindest so lange, bis die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit schon woanders ist. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.01.2010)