Kein Tag ohne Nachrichten über eine neue "Linke" im Graubereich zwischen Politik und Wirtschaft. Die "Themenführerschaft" haben zweifellos die verschiedenen Haider-Nachfolgeparteien und -personen. Das ist nur systemimmanent, weil die extreme Rechte immer auch kriminell gewesen ist. Wer zu Gewalt- lösungen im menschlichen Bereich neigt, der hat auch keine Skrupel, sich den Besitz anderer Leute anzueignen, bzw. sich beim Allgemeingut - Steuergeld - zu bedienen.

Aber die Haider-Erben sind nicht die Einzigen, die zur Staatsverlotterung beitragen. Die SPÖ hatte ihren Bawag-Skandal, die ÖVP-Kärnten ist am Hypo-Skandal mitbeteiligt, und der zuerst auf einem FPÖ-, dann auf einem ÖVP-Ticket reisende Karl-Heinz Grasser ist ja fast bei jeder Affäre dabei, wie sein Rechtsanwalt selbst launig erklärt. Hand in Hand mit den Wirtschaftsskandalen gehen Unvereinbarkeiten im politischen Bereich und die Neigung, bei jedem populistischen Blödsinn und/oder Gemeinheit mitzu-gehen.

Womit sich die Frage stellt: Wie kommen wir da wieder heraus? Wo ist die politische Reformbewegung, entweder innerhalb der Parteien oder außerhalb? Die Grünen sind die einzige Partei, die von solchen Skandalen nicht berührt ist, aber sie scheinen jetzt wieder einmal die Chance zu verpassen, sich an die Spitze einer Reformbewegung zu setzen.

Vor 20 Jahren steckte die SPÖ tief im Sumpf. Im Umkreis der Verstaatlichten Industrie, rund um den parteinahen "bunten Hund" Udo Proksch, auch um den ehemaligen Vizekanzler und Finanzminister Hannes Androsch gab es schwerwiegende Vorfälle. Der damalige sozialdemokra-tische Bundeskanzler Franz Vranitzky half mit, diese Erbschaft zu bewältigen, indem er - nichts tat. Nämlich nichts in dem Sinne, dass er keinen Einfluss auf die Justiz ausübte, um die Sache unter den Tisch fallen zu lassen. Was ihm Androsch heute noch zum Vorwurf macht.

Es geht also - wenn es in der jeweiligen Regierung eine genügend starke Kraft gibt, die auf eine aktive Aufklärung und Verfolgung besteht.

Aber es gibt nicht nur die konkreten Anlässe, sondern auch eine allgemeine Schla-winer-Mentalität, die bei uns zwar immer existiert hat, aber jetzt außer Kontrolle geraten ist. Jeder macht es schließlich, warum nicht ich? Cleverness ist die am meisten geachtete Eigenschaft - und niemand, oder fast niemand, sagt im öffentlichen Diskurs ganz schlicht, was falsch und was richtig ist.

Schließlich ist bei Politikern, aber auch bei hohen Kirchenfürsten und anderen Meinungsführern der Brauch eingerissen, sich nach den (rechts-)populistischen Zeitungen und ihren oft primitiv-inhumanen "Maßstäben" zur richten. Mit verheerender Wirkung auf das geistige Klima.

Befund: Die politisch-wirtschaftliche Landschaft wird von den dummschlauen/dummdreisten "Cleveren" beherrscht, die Stimmen der Vernunft und der (echten) Anständigkeit sind zu wenige und zu leise. Echte Reformpolitiker und echte Reformbewegungen hätten hier eine gewaltige Marktlücke. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.01.2010)