Bild nicht mehr verfügbar.

Serrano-Schinken in der Krise: Nachdem Investoren den Markt anheizten, verfallen infolge von Überproduktion die Preise.

Foto: Reuters/Vera

Immer öfter stößt man in Spanien auf Angebote, die einen Serrano oder Ibérico-Schinken gratis als Zusatzzuckerl offerieren: Zur Kontoeröffnung, für Kurztrips oder zu einem Wochenendaufenthalt in einem Parador-Hotel. Der Hunger der Immobilieninvestoren nach einem fetten Zusatzgeschäft haben die Preise für das kulinarische Aushängeschild Spaniens stark abmagern lassen.

Julio Revilla, Präsident des spanischen Fleischerzeugerverbandes Iberaice sieht den Ursprung der bereits als Schinken-Blase bezeichneten Entwicklung noch in den Aufschwungsjahren: "Unkomplizierte Kreditvergabe und lockere Gesetze, die alle Schinkentypen gleichermaßen schützten, verleiteten viele Immobilien-Unternehmer zum Sprung ins Segment. Das führte prompt zur Überproduktion."

Die Branche verdoppelte die Herstellung zwischen 2000 und 2007. Große Nahversorger starteten Eigenmarken. Die Massenware forcierte das Entstehen von Zuchtbetrieben abseits der jahrhundertealten Steineichenhaine etwa im Bergland der westandalusischen Provinz Huelva. Mit der Wirtschaftskrise versiegte der Kreditfluss. "Schweinefleisch-Produzent" wurde zum Synonym von Risiko. Als auch noch der private Konsum einbrach, war die Schinken-Krise perfekt.

Preisdumping-Strategie

14 Millionen Serrano-Haxen wanderten bis vor kurzem pro Jahr aus den Trockenhäusern in den Großvertrieb. Dem gegenüber stehen 4,6 Mio. Ibérico, Gourmets zufolge überlegen am Gaumen - und bis jüngst auch im Preis.

Doch mittlerweile kriseln beide Segmente. Der Preis für Serrano-Schinken (einst zwischen 50 und 70 Euro pro Haxe) verfiel um knappe 50 Prozent seit 2007. Vier Millionen Haxen davon liegen in den Lagern. Der Preis für Ibérico-Schinken, der in der Maßeinheit Arrobe angegeben wird (11,5 Kilo), sank um rund 25 Prozent. Der Preisabsturz führte bei den Konsumenten zur Verwirrung, für die "teuer" als ein Gütekriterium galt.

Um der Überproduktion Herr zu werden, verschleuderten die Hersteller über die Weihnachtstage ihre Ware zu Dumpingpreisen. Eine erfolgreiche Strategie - zumindest für Campofrio-Navidul-Direktor Athos Maestri. "Wir haben den Stock' verkaufen können." Doch Juan Bilbao von der Agrar-Gewerkschaft Asaja warnt: "Der Preisverfall führt zu einem Prestigeverlust." Die Schweinezüchter, "als unterstes Glied der Nahrungskette" , litten bereits stark. Sie hätten in den vergangenen zwei Jahren pro Schwein 120 Euro Verlust gemacht.

Keine Entspannung in Sicht

Eine "Krisen-Kur" wäre für Verbandschef Revilla die Neudefinition der Branche. Erforderlich wären deutliche Qualitätskriterien, die Massenzucht- und Freilandhaltung unterschieden. Denn wie die Nachfrage im Premiumsegment zeigt (die Verkäufe stiegen hier im Vorjahr um plus zehn Prozent auf knapp 30 Mio. Euro), sind die Konsumenten sehr wohl bereit, für Qualität mehr zu zahlen.

"Es liegt an der Regierung, Konsumenten zu informieren", fordert José Ramón Godoy, Generalsekretär der Fundación Jamón Serrano. Entspannung in der Schinkenkrise ist dennoch keine in Sicht: Eine Studie der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Córdoba sieht sie bis Anfang 2011 andauern. (Jan Marot aus Granada, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16./17.1.2010)