Wer sich nichts vorzuwerfen hat und im Alltag nicht weiter auffällt, muss sich auch vor behördlichen Nachforschungen und dem Zugriff auf ihn betreffende Daten nicht fürchten - meint eine stille Mehrheit in Österreich. Den lauten Kritikern von grundrechtlich bedenklichen Gesetzesvorhaben steht diese Mehrheit reserviert bis skeptisch gegenüber. Was könnte denn auch der Einwand von - zum Beispiel - der Aids-Hilfe Salzburg, dass das geplante monatelange Datenaufheben zu Vertrauensverlust der Klienten bei der Internet- und Telefonberatung führen werde, mit einem Normalbürger zu tun haben?

Recht viel, lautet die Antwort. Denn was sogenannte Randgruppen - aber etwa auch Vertreter der Zivilgesellschaft - fürchten, geht in Wahrheit alle an. In einer zunehmend anonymer werdenden, modernen Gesellschaft sind Daten über das Kommunikationsverhalten Einzelner heiß begehrt. Hebt man sie auf, ist die Wahrscheinlichkeit eines Missbrauchs hoch. Mit diesen Daten als Grundlage können Entscheidungen über Menschen getroffen werden: in der Firma, am Arbeitsamt, bei der Gesundheitsversorgung oder im Pflegebereich.

Für derartige Herausforderungen in der um sich greifenden Überwachungsgesellschaft ist Österreich nur unzulänglich gerüstet. Denn viel zu vielen Menschen wurde bisher nicht klar gemacht, wie wichtig der Erhalt der Grundrechte ist - weder daheim noch in der Schule, und von den handelnden Politikern schon gar nicht. (Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe, 16. Jänner 2010)