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Udo Lattek mit der Meisterpokal-Mannschaft der Bayern 1974...

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...und 2005 - mit dem Kollegen Vogts - offenbar bester Laune bei der Wahl der Miss Germany.

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ien/Köln - Udo Lattek wird am Samstag 75. Der gebürtige Ostpreuße gehört mit 14 Titeln zu den erfolgreichsten Trainern in Deutschland. Er gewann mit drei unterschiedlichen Teams die drei Europapokale: Europapokal der Landesmeister mit Bayern München (1974), Europapokal der Pokalsieger mit dem FC Barcelona (1982) und den UEFA-Cup mit Borussia Mönchengladbach (1979). Er wurde mit Bayern München (sechsmal) und Borussia Mönchengladbach (zweimal) insgesamt achtmal deutscher Meister. In Barcelona coachte er Diego Maradona und Bernd Schuster. Im Jahr 2000 kehrte der studierte Pädagoge noch einmal auf die Trainerbank zurück und rettete Borussia Dortmund vor dem Abstieg. Lattek ist derzeit als Experte für das DSF tätig und analysiert im Rahmen der Sendung Doppelpass das Bundesliga-Geschehen.

Lattek hatte als Assistent von Teamchef Helmut Schön als Quereinsteiger den Sprung in den Profi-Fußball geschafft. Er empfindet rückblickend große Dankbarkeit: "Ich habe dem Fußball alles zu verdanken. Ich bin aus dem Nichts gekommen, ich bin ein Bauernsohn."

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Am Samstag werden Sie 75 Jahre alt. Wie fällt die Bilanz Ihres beruflichen Lebens aus?

Lattek: Mehr positiv als negativ, auch wenn nicht alles so gelaufen ist, wie man sich das vorgestellt hat.

Wie zu Beginn Ihrer Trainer-Laufbahn?

Lattek: Mit 20 Jahren, als ich zur Sporthochschule kam, habe ich mich mit Hennes Weisweiler überworfen. Die Trainerausbildung habe ich dann mit 30 Jahren nachgeholt. Hennes hat 14 Tage versucht, mich zu provozieren, aber ich habe mich nicht provozieren lassen. Später hat er, wenn er morgens keine Lust mehr hatte, zu mir gesagt: 'Lattek, machen Sie das mal.' Dann kam die Prüfung, Helmut Schön war damals Prüfungsleiter. Dann hat er Weisweiler gefragt: 'Ich brauche einen Assistenten, wen haben Sie denn da?' Da hat Hennes gesagt: 'Ich habe da noch einen Jungen, der ist zwar Student und kein Fußballer, aber der kann das.' So bin ich für fünf Jahre zum DFB gekommen

Wie kam es zum Wechsel nach München?

Lattek: Franz Beckenbauer kam damals zu mir und fragte, ob nicht zum FC Bayern wechseln wolle, weil die Zusammenarbeit mit Branko Zebec keine Zukunft mehr habe. Dann bin nach München geflogen und habe einen Dreijahresvertrag unterschrieben. So begann die ganze Scheiße... Meine Frau hat mir später gesagt, wenn ich gewusst hätte, dass du Trainer wirst, hätte ich dich nicht geheiratet.

Wie hat sich der Fußball seit Ihrem Einstieg in die Bundesliga verändert?

Lattek: Das ganze Drumherum ist mir zu heftig geworden. Als ich die fünf Wochen nochmals in Dortmund war, habe ich ja den ganzen Tag mit den Journalisten zu tun gehabt. Es war aber auch der Sinn, den Druck von der Mannschaft wegzunehmen. Ich habe alles abgefangen. Ich habe mal Erich Ribbeck gefragt, als der bei Bayern war. Er hat mir gesagt, 75 Prozent ist Öffentlichkeitsarbeit. Zum Training hat man kaum Zeit. Überspitzt formuliert: Das Einzige am Fußball, was stört ist der Fußball. Ich würde gerne sehen, wenn der Sport wieder mehr im Vordergrund stehen würde."

Was war der schönste Erfolg Ihrer Laufbahn?

Lattek: Am schönsten ist immer die erste Meisterschaft. Das war 1972 mit Bayern München, als wir im entscheidenden Spiel, dem ersten im Olympiastadion, Schalke 04 mit 5:1 bezwungen haben. Was mir natürlich auch in Erinnerung geblieben ist, war, als ich Otto Rehhagel ärgern konnte. Wir waren 33 Spieltage nicht an der Tabellenspitze, aber am 34. und letzten.

Die größte Enttäuschung dürfte die Niederlage mit den Bayern im Endspiel des Europapokals der Landesmeister 1987 in Wien gegen den FC Porto gewesen sein.

Lattek: Das hat mir unheimlich weh getan, der Pott war nur zwei Meter entfernt, wir mussten nur zufassen. Ludwig Kögl hat per Kopf das Führungstor erzielt. Ich habe aber der Mannschaft in der Halbzeit in der Kabine gesagt, dass das Spiel noch nicht entschieden ist. Aber die alten Hasen meinten, sie könnten das Spiel über die Runden schaukeln.

In Barcelona gab es große Probleme mit Diego Maradona...

Lattek: Hintergrund war die Abfahrt zu einem Abschlusstraining. Alle waren da, nur Diego nicht. Ich bin abgefahren, habe ihn stehen lassen. Daraufhin ist Maradona zum Präsidenten und hat ihm erklärt, dass er mit mir nicht zusammenarbeiten könne und er lieber seinen Landsmann Cesar Luis Menotti haben möchte. Aber der war trotzdem nur sechs Monate in Barcelona.

Wie kam es zu Ihrem Engagement?

Lattek: Nach dem Tod meines Sohnes habe ich den Dortmunder Präsidenten Reinhard Rauball gebeten, mich ziehen zu lassen. Ich brauchte eine neue Aufgabe, Barcelona war schon damals der schwierigste Klub, der mich 24 Stunden am Tag gefordert und dadurch auch abgelenkt hat. Ich musste außerdem eine neue Sprache lernen, habe das in drei Monaten geschafft.

Haben Sie es irgendwann bereut, nicht beim DFB geblieben zu sein. Schließlich hätten Sie Bundestrainer werden können?

Lattek: Normalerweise ist es zwar so, dass der Assistent Nachfolger von Helmut Schön geworden wäre, aber es gab schließlich Dettmar Cramer. An dem wäre ich unter normalen Umständen nicht vorbeigekommen. Ich konnte nicht ahnen, dass sich Dettmar Cramer mit dem DFB überwirft und für den Posten auch nicht infrage kommen würde.

Wie beurteilen Sie die Explosion der Spielergehälter seit dem Bosman-Urteil 1995?

Lattek: Die ganzen großen Stars werden immer das verdienen, was sie verdienen wollen. Aber die Mitläufer bekommen meiner Meinung nach einfach zu viel. Du musst als Spieler charakterlich schon sehr stark sein, um das zu realisieren. Eine Gehaltsobergrenze ist aus meiner Sicht nicht durchführbar, weil dann die Gelder halt auf anderem Weg gezahlt werden - nicht offiziell."

Wer wird deutscher Meister

Lattek: Ich denke, es werden doch die Bayern schaffen. Ich finde es superstark von Trainer Louis van Gaal, wenn er erkennt, dass sein Weg nicht der richtige ist und dann die Meinung der Mannschaft mit einbezieht. Wenn er stur geblieben wäre, wäre er jetzt schon in Holland. Er hat zum richtigen Zeitpunkt die Zeichen der Zeit erkannt.

Hätten Sie Jupp Heynckes zugetraut, Bayer Leverkusen an die Tabellenspitze zu führen?

Lattek: Ich hatte dem Jupp nicht zugetraut, dass er nochmal zurückkommt. Er hat sich enorm geändert, ist lockerer geworden. Wir sind zuletzt gemeinsam zu einem Termin geflogen, da haben wir uns wunderbar verstanden. Das war nicht immer so. Wenn es nur an Jupp liegt, dann schaffen sie es. Aber ich weiß nicht, ob die jungen Leverkusener nicht irgendwann aus den Latschen kippen.

Wie war das Verhältnis zum damaligen Cheftrainer Christoph Daum in Ihrer Zeit als Sportdirektor beim 1. FC Köln?

Lattek: Es gab nur einen Chef, und das war ich. Christoph hat dann kolportiert, er habe den Machtkampf gewonnen. Aber der war für mich gar kein Gegner.

War Ihr Kurz-Comeback bei Borussia Dortmund im Jahr 2000 ein kalkulierbares Risiko?

Lattek: Auf jeden Fall, die Mannschaft war einfach zu gut besetzt. Ein bisschen Risiko ist immer mit dabei. Wichtig war mir, dass ich den Job nur gemeinsam mit Matthias Sammer übernommen habe. (sid/red)