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"Die Menschen sind hungrig, jeder fragt nach Wasser", sagte ein Einwohner, Alain Denis

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Seit Samstag gelang den Rettungskräften die Bergung von vier Überlebenden aus den Trümmern.

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Die US-Streitkräfte übernahmen inzwischen die Kontrolle über den Flughafen von Port-au-Prince und koordinieren die Ankunft der Maschinen mit Hilfsgütern.

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ort-au-Prince - Vier Tage nach der Erdbebenkatastrophe in Haiti kommen die Rettungsbemühungen allmählich besser voran. Trinkwasser und Lebensmittel wurden am Wochenende an die zunehmend verzweifelten Überlebenden in Port-au-Prince verteilt. Rettungsteams bargen mindestens vier Personen lebend aus den Trümmern. US-Außenministerin Hillary Clinton traf am Samstag in Haiti ein, um sich selbst ein Bild vom Ausmaß der Zerstörung zu machen. Die Vereinten Nationen erklärten, das Beben sei die schlimmste Katastrophe in ihrer Geschichte. Die logistischen Probleme seien größer als die nach dem Tsunami in Asien 2004, erklärten die UN.

Acht Österreicher noch vermisst

Acht Österreicher werden in dem von einem schweren Erdbeben erschütterten Haiti noch vermisst, sagte Außenminister Michael Spindelegger in der ORF-"Pressestunde" am Sonntag. Nach derzeitigem Stand waren zu Zeitpunkt der Katastrophe 38 Österreicher in dem Land. Diese Zahl steige allerdings, denn es melden sich immer wieder Verwandte. 29 Personen seien wohlauf, eine Frau wurde bei dem Beben getötet. Zu acht Österreichern habe man noch keinen Kontakt, so Spindelegger.

Der für Haiti zuständige Botschafter in Venezuela ist laut Außenamts-Sprecher Peter Launsky-Tieffenthal kurz nach Mitternacht europäischer Zeit in Port-au-Prince eingetroffen und widme sich nun hauptsächlich der Suche nach den acht vermissten Österreichern. Bei den zwei in den vergangenen Stunden ausfindig gemachten Personen handle es sich um ein mittlerweile getrenntes Ehepaar. Die Frau habe die Katastrophe in Haiti unbeschadet überstanden, ihr Ex-Mann lebe heute wieder in Österreich.

800.000 Euro Hilfe aus Österreich

An Hilfsmittel hat Österreich laut Außenminister Spindelegger bisher 800.000 Euro bereitgestellt. Den Vorwurf, dass dies zu wenig sei, wies Spindelegger zurück. Es handle sich um eine erste Hilfe. Auf Dauer solle eine internationale Konferenz einberufen werden, um auch in Zukunft Mittel für das verarmte Land zur Verfügung zu stellen. Spindelegger plädierte auch dafür, dass der Aufbau auch strukturelle Änderungen beinhalte, um das Land längerfristig zu stabilisieren.

Jeder fragt nach Wasser

In Port-au-Prince wurde die Lage unterdessen zunehmend verzweifelt. "Die Menschen sind hungrig, jeder fragt nach Wasser", sagte ein Einwohner, Alain Denis. Hilfsorganisationen bemühten sich um die Weiterleitung von Wasser und Lebensmitteln, wurden jedoch immer wieder auf blockierten Straßen aufgehalten. Bei der Verteilung von Essen in einem Fußballstadion prügelten sich rund 200 Jugendliche um die Rationen und warfen Steine.

"Es gibt kein Trinkwasser in Port-au-Prince"

"Die Situation ist unhaltbar. Die Toten liegen auf der Straße und ein Verwesungsgeruch hängt über der Stadt", erklärte Christoph Petrik-Schweifer, Caritas-Auslandshilfechef und Vorstandsvorsitzender von Nachbar in Not. "Es gibt kein Trinkwasser und keine Lebensmittel in Port-au-Prince, die Menschen müssen auf der Straße schlafen und stehen unter Schock."

Hilfe kommt an

Die Unterstützungsmaßnahmen funktionieren laut Petrik-Schweifer dennoch: "Trotz extremer logistischer Probleme und chaotischer Zustände kommt die Hilfe an. Jedes Lebensmittelpaket, das wir unter die Menschen bringen, rettet Leben." Auch die Hoffnung auf Überlebenden besteht weiter: Am Tag vier der Katastrophe habe man in Port-au-Prince 50 Verschüttete geborgen.

Caritas verteilt von drei Lagern aus

Im Detail habe die Caritas in der haitinischen Hauptstadt ausgehend von drei Lagern mit der Verteilung von Decken, Zelten, Werkzeugen, Wasser und Lebensmitteln begonnen. Aus der Dominikanischen Republik seien Lebensmittelpakete für 50.000 Menschen auf dem Weg. 15 Tonnen Güter seien bisher eingetroffen. Verteilt würde die Nahrung an 25 Stellen in Port-au-Prince sowie zwei Ausgabeorten in Jacmel. Erwarten würden in kürze weitere 200 Tonnen Sojaöl, 1.300 Tonnen Weizen sowie Wassercontainer und Chlortabletten für 2.000 Familien.

Helfer schockiert über Verletzte

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hat sich schockiert über das Ausmaß des Erdbebens in Haiti gezeigt. Noch nie hätten die erfahrenen Mitarbeiter von Medecins sans Frontieres (MSF, Ärzte ohne Grenzen) so viele Menschen mit so schweren Verletzungen gesehen wie in Haiti, erklärte die Organisation am Sonntag in Paris. Seit ihrer Ankunft in Port-au-Prince hätten die Notfallteams von MSF ohne Unterbrechung gearbeitet, nur die dringendsten Fälle behandelt, Kaiserschnitte und Amputationen vorgenommen.

Chaotische Zustände am Flughafen von Port-au-Prince

Die Arbeit von Ärzte ohne Grenzen wurde nach Angaben der Organisation durch die chaotischen Zustände am Flughafen von Port-au-Prince stark beeinträchtigt. Mehrere wichtige Transportflugzeuge hätten umkehren müssen, weil sie keine Landeerlaubnis erhalten hätten. So sei ein Feldlazarett von MSF mit aufblasbaren Zelten, das dringend gebraucht werde, immer noch nicht eingetroffen, beklagte die Organisation.

Patienten kommen auf Handkarren

Als bekanntgeworden sei, dass MSF Erste Hilfe in Carrefour am Westrand von Port-au-Prince leiste, habe sich sofort eine Menschenmenge am Eingang des Gebäudes versammelt, berichtete ein Mitarbeiter aus der haitianischen Hauptstadt. "Die Patienten kamen auf Handkarren oder wurden auf dem Rücken hingetragen", sagte der MSF-Helfer weiter. Es gebe zwar andere Krankenhäuser in der Gegend, diese seien jedoch vollkommen überlastet und hätten weder ausreichend Personal noch Medikamente und sonstige Ausrüstung.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte, das Welternährungsprogramm (WFP) stelle derzeit mehrmals täglich Lebensmittel für etwa 8.000 Bedürftige zur Verfügung. "Das ist angesichts der großen Not natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein", räumte er ein.

Senegal bot Opfern kostenlose Grundstücke an

Die Regierung im Senegal will Menschen aus Haiti nach dem verheerenden Erdbeben eine neue Heimat bieten. Wer in das westafrikanische Land "zu seinen Wurzeln zurückkehren" wolle, solle kostenlos Land erhalten, sagte der Sprecher von Präsident Abdoulaye Wade. Der Staatschef selbst erklärte, weil Haiti von Sklaven gegründet wurde, seien die Einwohner Kinder Afrikas und könnten sich im Senegal niederlassen.

Die Regierung stelle ihnen Grundstücke zur Verfügung, "sogar eine ganze Region, das hängt davon ab, wie viele Haitianer kommen", sagte Präsidentensprecher Mamadou Bemba Ndiaye. "Wenn es nur ein paar sind, werden wir ihnen vermutlich Wohnungen oder kleine Grundstücke anbieten. Wenn sie in Massen kommen, sind wir bereit, ihnen eine ganze Region zu geben." Das Land für die Haitianer werde selbstverständlich fruchtbar sein, betonte Ndiaye.

Bill Clinton und George W. Bush riefen zu Spenden auf

Die früheren US-Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush riefen die US-Bürger zu Spenden für die Erdbebenopfer auf. Es gehe nicht nur um dringend benötigte Hilfe bei den unmittelbaren Folgen der Katastrophe, sondern auch um ein langfristiges Konzept zum Aufbau eines wohlhabenden Haitis, erklärten beide am Samstag in Washington. "Wir haben die Chance, es besser als beim letzten Mal zu machen, ein besserer Nachbar zu sein, als wir bisher waren und dem haitianischen Volk zu helfen, seinen Traum von einer stärkeren, sichereren Nation zu verwirklichen", schrieben sie in einem Offenen Brief, der auf der Webseite der Zeitung "New York Times" erschien. (red/APA)