Bregenz - Vier Jahre, bevor Thomas Bernhard seinen Erstlingsroman Frost schrieb, entstand 1959 ein bis knapp vor dem Tod des Schriftstellers unveröffentlicht gebliebenes hybrides Prosafragment. Es wurde nun am Kornmarkttheater des Vorarlberger Landestheaters erstaufgeführt.
Der aus Figurenrede wie Erzählung gleichermaßen gebaute Text In der Höhe ist ein Aufriss jener Themen, die in der Folge das Werk Bernhards, damals erst 27 Jahre jung, zuverlässig gekennzeichnet haben: Künstlertum und Geistesgröße; Einsamkeit und Isolation; Provinzialismus: Stumpfsinn, Verlogenheit und Ignoranz. Diese zugespitzte Welt bevölkern die alsbald vor allem in den Dramen herangereiften Bernhard'schen Archetypen wie der Professor, der Studienrat, der Wirt, der Schriftsteller, das Fräulein.
Dramaturg Karl Baratta, ein ausgewiesener Spezialist für die Besonderheiten heimischer Denker und Dichter, hat das Romanfragment für die Bühne bearbeitet und inszeniert und dabei die Skizzenhaftigkeit des Textes sowie dessen Unentschlossenheit zwischen Drama und Prosa durchgehend gewahrt.
Ungewöhnliche Perspektiven
Was zu ungewöhnlichen Perspektivierungen führt: Meint beispielsweise er, der Professor, mit "er" sich selbst oder doch den anderen? Ein postdramatisch durchaus gern geübter Brauch ist die Distanz der eigenen Figur zu sich selbst. Mit verblüffender Ruhe geht Baratta die Sache an. Anstelle von Exzess bzw. exzessivem Ton dominieren Komik und Swing. Diese nur scheinbare "Light" -Version macht sich mit fortschreitendem Abend immer besser. Paul Wolff-Plottegg ist der Schriftsteller und damit zugleich (weil Bernhards Alter Ego) der Denker und Hervorbringer des gesprochenen Textes: Was wir sehen, entspringt seinem Kopf, der sich mit - wie könnte es anders sein - leichtem Ekel über die eigenen Manuskriptseiten am Tisch beugt. Diese Konstruktion wirkt altbacken.
Tisch auf Rädern
Doch der Abend hebt sich davon ab. Baratta wirft sukzessive Ballast ab. Er entwickelt mit Fortdauer der Inszenierung ein leichtes Bernhard-Ballett, in dem sich Betten im Kreis drehen - sogar der Tisch hat Räder. Dazu gibt Foad Bahrami am Pianino den Twist vor, der den Schauspielern (neben Wolff-Plottegg agieren Julia Jelinek, Alexander Julian Meile, Wolfgang Pevestorf und Mario Paz) Beine macht.
Was In der Höhe im Unterschied zu späteren Werken noch aufweist, das sind Konflikte zwischen Mann und Frau, doch sie tragen unverkennbar ihre Bernhard'sche Duftnote, so etwa der kleine romantische Spaziergang von Professor und Fräulein: Es geht naturgemäß hinauf zur Irrenanstalt!
Der Text spricht hier vor allem aus den Körpern: Schriftsteller und Professor beschnuppern einander wie aggressive Hunde. Und auch sonst erscheinen die teilweise nur angedeuteten Figuren in beredten Bewegungsminiaturen: Posen des Spazierengehens, des Dasitzens oder Mienen "missglückter Nachtruhe" . So ist Thomas Bernhard, der von der Nachwelt in Besitz Genommene, auf den ersten Blick kaum wiederzuerkennen - und das war gar nicht übel. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD/Printausgabe, 18.01.2010)