
2010: Steiner (51), Produzent von Leitschienen, geht in der Freizeit auf die Piste.
Waidhofen/Wien - Es ist am 16. Februar im Bjelasnica-Massiv passiert. Anton "Jimmy" Steiner beging eine Tat, deren Tragweite er sich erst viel später bewusst werden sollte. Er gewann die Bronzemedaille im Abfahrtslauf der Olympischen Winterspiele 1984 in Sarajewo, es sollte Österreichs einzige Medaille bei diesen Spielen bleiben, was insofern eine Besonderheit darstellt, als Österreich im Medaillenspiegel aller bisherigen Winterspiele mit insgesamt 185 Medaillen (51 Goldene, 64 Silberne, 70 Bronzene) immerhin auf Rang fünf liegt.
"Na sicher kann ich mich erinnern, an das Chaos im Vorfeld der Abfahrt, an das schlechte Wetter, an die vielen Verschiebungen, die langen und oft vergeblichen Anreisen zur Abfahrtspiste, an das Rennen", erzählt der heute 51-jährige Steiner. "Beim Rennen lag im oberen Teil dichter Nebel. Ich hatte wie im Training die beste Zwischenzeit. Doch diesmal reichte der Vorsprung nicht aus." Der US-Amerikaner Bill Johnson, von Franz Klammer Nasenbohrer geheißen, gewann die Goldmedaille vor dem Schweizer Peter Müller und Steiner.
"Was das wert ist", sagt Steiner, "ist mir erst im Nachhinein so richtig bewusst geworden. Wenn man so drinnensteckt im Getriebe, nimmt man vieles gar nicht so richtig wahr. Wir haben dort auch nicht im Olympischen Dorf gewohnt, sondern weit außerhalb." Jetzt sei er richtig stolz auf diese Bronzene, "an die sich viele Menschen erinnern, weil es eben die einzige österreichische Medaille bei diesen Spielen war. Wer weiß denn noch, wer 2006 in Turin die Medaillen gewonnen hat? Das waren ja 23 Stück, glaub ich." Die Bronzene von Sarajewo bezeichnet Steiner als größten Erfolg seiner Karriere, auch wenn er es zudem auf fünf Weltcupsiege brachte, auf zwei in der Abfahrt, drei in der Kombination.
Anton Steiner war gewissermaßen ein olympischer Routinier, der am Ende seiner langen Karriere vier Winterspiele geschmückt hatte. Bereits bei den Spielen 1976 in Innsbruck lieferte er am Patscherkofel einen denkwürdigen Moment, der sich freilich nicht so ins kollektive Bewusstsein eingegraben hat wie Franz Klammers Triumph. Der damals 18-jährige Steiner war mit besten Zwischenzeiten kurz vor dem Ziel gestürzt.
Steiner, der Allrounder, drängte sich erst drei Wochen vor Sarajewo für das damals starke österreichische Abfahrtsteam auf. "Durch einen zweiten Platz in Wengen mit Startnummer 64 und einen dritten in Kitzbühel mit 55 bin ich erst in die Mannschaft gekommen." Und um einen Startplatz bei der Olympia-Abfahrt mussten er und Harti Weirather, der amtierende, einschlägige Weltmeister, im Abschlusstraining Qualifikation fahren. "Ich wurde Erster, Harti Zweiter," erinnert sich Steiner. Weirather hatte das WM-Gold 1982 in Schladming gewonnen. Dort hatte sich Steiner Bronze in der Kombination genommen. In Sarajewo wurde nichts aus der Kombi, in der damals die Resultate der Disziplinen zusammengezählt wurden. "Im Slalom bin ich ausgeschieden. An den Riesenslalom kann ich mich gar nicht mehr erinnern." In diesem ist er ebenfalls ausgeschieden.
Eine Skikarriere pflegt selten ohne Verletzungen abzulaufen. Steiner, der eher draufgängerisch unterwegs war und öfters stürzte, erwischte es zweimal heftig. "Im Dezember 1980 missglückte der Versuch, über die Kamelbuckeln in Gröden zu springen." Und als er sich von der Gehirnerschütterung und der Schulterverletzung halbwegs erholt hatte, stürzte er im Steilhang zu Kitzbühel. "Ich bin unterm Netz durchgeruscht, Innenband und Kreuzband sind gerissen."
Dass Steiner heute eine Leitschienenfirma in Waidhofen an der Ybbs besitzt, hat ziemlich direkt mit seiner Skikarriere zu tun. Der Bub aus Prägraten in Osttirol war an sich dafür vorgesehen, seinem Vater als Leiter des örtlichen Sparmarktes nachzufolgen. Die Liebe zum Sport führte ihn zunächst in die Skihauptschule nach Neustift im Stubaital. Für den Sparmarkt drängte sich eine Handelsschule auf. Doch in Stams gab es damals nur das Skigymnasium, also zog Steiner zwecks Skihandelsschule von Osttirol nach Waidhofen in Niederösterreich. Dort lernte er seine heutige Frau kennen, und vom Industriellen Franz Forster, dem Gründer und Förderer der Skihandelsschule, übernahm er 1988 die Leitschienenabteilung. "Er hatte selber keine Kinder und gesagt, ich kann mir was aussuchen." Wie läuft das Geschäft? "Solange es Autos gibt, solange gibt es Unfälle, und die Leitschienen müssen ausgewechselt werden." (Benno Zelsacher, DER STANDARD Printausgabe 18.01.2010)