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Management-Tipp: Findet sich, wie hier, bei der Durchleuchtung der Innereien Verdächtiges, wird der Betreffende in den letzten Wagon verbannt.

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Noch bevor die ÖBB durch konsequentes Reformieren zur Privatisierung reif geschossen sein wird, pfeift sie schon jetzt aus dem letzten Loch. Darüber täuschen weder der ebenso protzige wie provinzielle Neubau "Sandler-freier" und dafür mit Geschäften aller Art vollgestopfter Bahnhöfe noch die marktschreierische Variation der diversen Logos hinweg, unter denen man der entnervten Kundschaft (von Fahrgästen kann keine Rede sein) die verspäteten Züge als "Mozart-Express", "Erzherzog-Johann-Blitz", "Kulturnation-Österreich International" verkauft. Die Liste derartiger Zeugnisse einer wahrhaft jodelnden Phantasie ließe sich musikalisch noch durch Fledermaus-Lamentoso, Lustige-Witwe-Tremolando oder Bettelstudent-Quasi-Rustico bereichern und die tänzerisch-diplomatische Tradition der sich ihrer Größe bewussten Alpenrepublik mit Sissi-Walzer, Kaiserlandler und Waldheim-Galopp für den politischen Export in Erinnerung rufen.

Wir fuhren unlängst mit dem "Don-Giovanni-Allegro". Damit kamen wir freilich weder "heiter" noch "lustig" oder gar "schnell" ans Ziel. An Schlaf war ohnehin nicht zu denken. An Stelle dessen durfte man bald nach der Abfahrt aus Linz die von den Lautsprechern aller Abteils dröhnende Mitteilung zur Kenntnis nehmen, dass der Zug in Kürze Wels erreichen werde. Wenig später Attnang-Puchheim und Vöcklabruck. Nur für den Fall, dass etwa dies oder das nächste Hintertupfing für den stolzen Besitzer eines Liegewagentickets nach Venedig das wahre Ziel seiner Träume sein mochte und also seine Fahrt z. B. von Wien aus schon nach etwas mehr als zwei Stunden wieder zu Ende sein sollte.

Auf jeden Fall wurde der Reisende durch die unerbittliche Verlautbarung daran erinnert, dass man nach dem Willen der für diesen Unfug Zuständigen in einem Zug der ÖBB um elf Uhr nachts gefälligst noch nicht zu schlafen habe! Diese Kommandos ertönten regelmäßig bis Salzburg, wo der Zug zwei Stunden lang stand. Aber keineswegs ruhig! Sondern umhergeschoben und gestoßen ohne Ende. Das Gerumpel wurde nur zuweilen durch ein geradezu triumphal auftretendes Getrampel vom hin- und hereilenden Verschiebepersonal unterbrochen. Irgendwann ruckelte es ein kleines Stück weiter. Stand wieder, zog an und versagte neuerlich den Dienst. Diesmal zum Glück ohne lautsprecherische Erklärung.

Dankbar fast schon für dieses Vergnügen, in einem Liegewagen-Abteil, dessen Tür man infolge seines zerstörten Verschlusssystems besser im Auge behielt, von unerwünschten Mitteilungen verschont zu werden, durfte man sich zwischen zwei und sechs Uhr Morgens mit den Erinnerungen an ähnliche Abenteuer mit rätselhaften Anhaltungen auf freier Strecke (wie man sie auch aus Albanien kennt) die Zeit vertreiben.

Schließlich erschien es dann molto piu allegro, seinen endgültig Liegeplatz zu verlassen und statt dem vergeblichen Versuch zu schlafen lieber am Gang in die Morgendämmerung hinaus zu starren. Angesichts der vorgerückten Stunde durfte man immerhin darauf hoffen, dass alles bald zu Ende sein werde. Venedig schien nahe. Freilich nur solange, bis man endlich von der freundlich-hilflosen Zugbegleiterin über eine zweistündigen Verspätung unterrichtet wurde. In der Tat sollten wir Santa Lucia auch erst gegen halb elf erreichen.

Opera buffa auf Rädern
Fünf Tage später fuhren wir mit demselben "Don Giovanni" retour. Diesmal überraschte uns die "Opera buffa" in ihrer Inszenierung à la ÖBB aber nicht mehr nur als eine sich wie in den letzten Zügen dahinschleppende Farce. Inzwischen war jegliche Schminke ab. Alles Allegro von der Bühne verschwunden. Hinter der grotesken Maske zeigte sich das wahre Gesicht der österreichischen Bundesbahnen in ihrem gegenwärtigen, jämmerlichen, Zustand. Das wütende Publikum konnte jedoch das ihm Zugemutete nur mehr als Doloroso assai erfahren. Nämlich die Tatsache, dass zwischen Venedig und Salzburg - d. h. von neun Uhr abends bis fünf Uhr früh, sämtliche Toiletten, alle, im ganzen Zug, - versperrt und also unbenutzbar waren und auch auf drängendes Nachfragen mit dem Hinweis nicht geöffnet wurden, man habe die Toiletten nicht gereinigt und das sei auch schon früher öfter vorgekommen. So schlurfte man entweder mit zusammengezwicktem Unterleib am Gang herum oder verrichtete sein Geschäft in der Hoffnung, dabei nicht ertappt zu werden im Waschraum ohne Wasser. Und der eine oder andere vielleicht sogar still und heimlich irgendwo in der Ecke wie ein Hund.

Wo bleibt "das Positive" werden Sie fragen? In den folgenden Vorschlägen, die der ÖBB bis zu ihrer Übernahme zum Nulltarif (wie die AUA) als weitere Einsparungsmaßnahmen zu empfehlen sind.

Man stelle an jedem Bahnsteig eine Tafel mit dem Hinweis auf: Nur mit leeren Blasen und Därmen einsteigen! Man kontrolliere die strikte Befolgung dieser Anweisung vermittels eines Gerätes, durch das jeder Passagier geschleust und auf seine Innereien durchleuchtet wird. Findet sich Verdächtiges, verweise man ihn an den letzten Wagon, wo am Ende des Zugs ein ins Freie ausklappbarer Sitz für Erleichterung sorgt und von Wind und Wetter automatisch gereinigt wird.

In den übrigen Wagons bringe man an dem Platz, wo sich einmal Klosetts befanden, billige Vorhänge an und dahinter einen Automaten, aus dem man gegen Bezahlung ähnlich Nützliches wie Hunde-Sackerl oder Windeln (aus ökologisch einwandfreiem Material versteht sich) beziehen und durch das als einziges im Zug zu öffnende Fenster problemlos entsorgen kann.

Man bestrafe die Mitnahme von Flüssigkeiten und Nahrung aller Art mit einem saftigen Bußgeld und finanziere damit die erwähnten Vorrichtungen.

Gänzlich klistierte Personen oder solche mit eingesetzten Kathedern belohne man mit einer "K-Card", die ihren Fahrpreis um zehn Prozent reduziert.(DER STANDARD; Print-Ausgabe, 18.1.2010)