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US-Soldaten verteilen Wasser.

Foto: AP/The Miami Herald, Patrick Farrell

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Alleine 2000 Freiwillige des Roten Kreuzes sind im Land und versuchen, die grundlegendsten Dinge wie sauberes Trinkwasser zu ermöglichen.

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US-Marines verteilen in Port-au-Prince Lebensmittel und Trinkwasser. Auf dem Flughafen hat am Wochenende die US-Armee das Kommando übernommen.

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Auf der Suche nach Lebensmittel und bei Plünderungen gehen bewaffnete Banden den Berichten nach gewaltsam aufeinander los.

Foto: REUTERS/Carlos Barria

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Rund hundert Menschen haben am Sonntag einen Supermarkt in Port-au-Prince gestürmt. Ein Polizist feuerte kurz darauf auf eine Gruppe von Plünderern und erschoss mindestens einen von ihnen

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Wo immer die Helfer auftauchen strömen die Menschen zusammen, in der Hoffnung Wasser, Lebensmittel und Medizin zu bekommen

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Eine knappe Woche nach dem Erdbeben, das die haitianische Hauptstadt Port-au-Prince erschütterte, bietet sich den ankommenden Helfern ein verheerendes Bild. Menschen sterben, weil die Hilfe sie nicht erreicht. Plünderungen und Gewalt häufen sich, bewaffnete Banden gehen Berichten zufolge aufeinander los. Die Polizei setzte in der Nähe des Präsidentenpalastes Tränengas gegen Plünderer ein. Der Treibstoff wurde knapper und teurer und deshalb rationiert. Die dominikanischen Krankenhäuser an der Grenze zu Haiti seien überfüllt. Es fehle an medizinischer Ausrüstung. Bisher seien zudem erst 3.000 bis 4.000 Zelte in Haiti eingetroffen. Nötig wären 20 000.

In den nächsten 48 Stunden können keine neuen Hilfslieferungen mehr zum Flughafen in Haiti geflogen werden, wie das UNO-Büro für humanitäre Hilfe (OCHA) am Montag in Genf mitteilte. Für neue Güter gebe es zurzeit keine Lagerungsmöglichkeiten mehr. Am Flughafen von Port-au-Prince gibt es Konflikte zwischen den US-Koordinatoren und Hilfsorganisationen über Landegenehmigungen. Den Flughafen kontrolliert mittlerweile die US-Armee, 12.000 Soldaten sollen für Sicherheit in Haiti sorgen. Zahlreiche Staaten stockten ihre Hilfe auf. Eine internationale Haiti-Konferenz in Montréal (Kanada) soll – voraussichtlich am 25. Jänner – die weltweite Welle der Hilfsbereitschaft koordinieren helfen. Aus der EU sollen vor allem Gendarmerie-Einheiten aus Italien, Spanien und Frankreich für Unterstützung sorgen.

In der Nacht auf Montag wurde der Notstand in dem zerstörten Karibikstaat ausgerufen. Der Ausnahmezustand gelte bis Ende Jänner, teilte der haitianische Minister für Alphabetisierung, Carol Joseph, in der Hauptstadt Port-au-Prince mit.

Laut ersten Eindrücken sollen in der Hauptstadt Port-au-Prince etwa 60 Prozent der Gebäude zerstört oder schwer beschädigt worden sein. Auch in der Hafenstadt Jacmel im Süden des Landes sind 60 Prozent der Häuser dem Boden gleichgemacht. Nach Angaben des Ministers wurden zudem bisher 70.000 Leichen in Massengräbern beigesetzt. Laut den Vereinten Nationen haben mehr als 1.700 Rettungskräfte bisher über 70 Menschen lebend aus den Trümmern gerettet. Drei in Haiti gesuchte Österreicher sind vom Außenamt ausfindig gemacht worden und wohlauf. Für den Standard berichtet Michael Möseneder aus Port-au-Prince.

Wie lange es dauert, bis Port-au-Prince wiederaufgebaut ist? "Zehn Jahre", sagt der ranghohe UN-Vertreter, der anonym bleiben möchte. Ganz sicher ist er sich aber nicht, ob das Ziel erreicht wird, angesichts der tristen politischen und wirtschaftlichen Situation, die schon vor dem Erdbeben in Haiti herrschte. Hoffnung macht ihm aber der Tsunami, der vor etwas mehr als fünf Jahren Südostasien verwüstet hat. "Banda Aceh war auch eine völlig rückständige Gegend, aber mittlerweile sind es wachsende Gemeinden", sagt er. Und hofft, dass auch in Haiti der Neubeginn sich nicht nur auf Baumaßnahmen beschränkt.

Polizist feuerte auf Supermarktplünderer

Augenzeugen berichten von Gewalt und Plünderungen. Ein Polizist feuerte am Sonntag auf eine Gruppe von Plünderern und erschoss mindestens einen von ihnen. Rund hundert Menschen hatten zuvor einen Supermarkt in Port-au-Prince gestürmt.

Nachbeben der Stärke 4,5

Am Samstag wurden die Bewohner von Port-au-Prince außerdem durch ein Nachbeben der Stärke 4,5 in Panik versetzt. "Die Situation ist unhaltbar. Die Toten liegen auf der Straße und ein Verwesungsgeruch hängt über der Stadt", erklärte Christoph Petrik-Schweifer, Caritas-Auslandshilfechef und Vorstandsvorsitzender von Nachbar in Not, am Sonntag in einer Presseaussendung. "Es gibt kein Trinkwasser und keine Lebensmittel, die Menschen müssen auf der Straße schlafen und stehen unter Schock."

Viele Organisationen sind Belastung statt Hilfe

Die meisten Hilfsorganisationen sind derzeit noch damit beschäftigt, überhaupt in das verwüstete Haiti zu kommen. In Jimani, dem Grenzort zur Dominikanischen Republik, stauen sich die Hilfslieferungen, derzeit werden nur UN, Rot-Kreuz und staatliche Helfer durchgelassen. "Es gibt sehr viele Organisationen, die helfen wollen, aber nicht unbedingt eine Hilfe sind. Sie kommen ohne Vorräte, benötigen dann Wasser, Essen und sind eher eine Belastung für die gesamte Operation", sagt der UN-Mann im Gespräch mit dem Standard.

40.000 bis 200.000 Tote

Fast eine Woche nach dem schweren Erdbeben ist immer noch völlig unklar, wie viele Menschen bei dem Unglück ums Leben kamen. Die haitianische Regierung rechnete am Wochenende noch mit 200.000 Toten, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) relativierte diese Zahl am Sonntag aber und sprach von geschätzten 40.000 bis 50.000 Opfern. 250.000 Menschen sollen bei dem Beben der Stärke 7,0 verletzt worden sein, 1,5 Millionen Bewohner der haitianischen Hauptstadt sind nun obdachlos. Unter den Toten ist auch eine Österreicherin. Acht weitere Österreicher werden noch vermisst.

Flughafen unter US-Kontrolle

Am Flughafen von Port-au-Prince läuft die Hilfe organisiert. Die US-Armee, die vorübergehend das Kommando auf dem Flughafen übernommen hat, sorgt dafür, dass ihre eigenen und fremde Soldaten und Polizisten sowie große zivile Organisationen per Luftweg ins Land können. Die Stimmung in der halb überschwemmten Abflughalle ist gespenstisch. Draußen drängen sich Haitianer, bieten Neuankommenden ihre Dienste als Taxifahrer an oder betteln mit dem Hinweis auf tote Angehörige. Ob das stimmt, kann niemand überprüfen.

Wasser ist eines der grundlegendsten Bedürfnisse

Alleine 2000 Freiwillige des Roten Kreuzes sind im Land und versuchen, die grundlegendsten Dinge zu ermöglichen. 460.000 Liter Wasser wurden verteilt, rechnet die Hilfsorganisation vor. Auf den Straßen sieht man Frauen, die zwei Paletten voller Plastikgebinde auf dem Kopf balancieren.

Grenzgitter sind geöffnet - tagsüber stauen sich die Lkw

Die Helfer auf dem Landweg warten mit der Fahrt meist bis zum Morgengrauen, in der Nacht trifft man auf der immer schmaler und schlechter werdenden Straße nur vereinzelt Lastwägen, der Ladung mit blauer Kunststofffolie notdürftig gesichert ist. Zwischen Bananenplantagen und Alleen, deren viele Bäume einen grünen Tunnel bilden, schraubt sich die Route nach oben. Über heimtückische Schlaglöcher und ungekennzeichnete Bodenschwellen verläuft sie, ehe rund 20 Kilometer vor der Grenze die ersten Checkpoints aufgebaut sind. Die Grenzgitter sind geöffnet, tagsüber stauen sich die Lkw.

Kamerateams verlassen Port-au-Prince bereits wieder

Die ersten Kamerateams verlassen Port-au-Prince bereits wieder. Die Lage werde zu unsicher, erfährt man. In Santo Domingo in der benachbarten Dominikanischen Republik kommen weiter Helfer an. Ein japanisches Kamerateam filmt eine Rettungseinheit aus ihrem Heimatland, komplett mit Spürhund. "Für den ist es jetzt wohl etwas zu spät", sagt ein Zuschauer. (Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe 18.1.2010)