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Damals, in Graz gegen Dänemark, hat Konrad Wilczynski zwei Siebenmeter verwandelt. Insgesamt sollte sich aber einiges geändert haben.

Foto: APA/M. Leodolter

Linz - 22:39. Ausgeschrieben zweiundzwanzig zu neununddreißig. Man muss sich zunächst vor Augen halten, dass das jüngste Kräftemessen der Handballer Österreichs mit den dänischen so und nicht anders ausgegangen ist. Das Debakel ereignete sich im November 2008 anlässlich eines Turniers in Graz, knapp 14 Monate später sieht man sich wieder. Dänemark zieht als Titelverteidiger in jene EM, die Österreich veranstaltet, um dabei sein zu können. Dass man realistisch bleiben müsse, würden Fußballer angesichts einer solchen Ausgangslage wohl sagen. „Wir dürfen nicht realistisch sein", sagt Dagur Sigurdsson, der isländische Handball-Teamchef Österreichs.

Sigurdsson setzt auf viele Legionäre und wenige Spieler aus der heimischen Liga (HLA), klar ist, dass die Legionäre einen Großteil der Verantwortung übernehmen sollen. Nicht nur auf Teamkapitän Viktor Szilagyi vom deutschen Tabellensechsten Gummersbach, auch auf Konrad Wilczynski von den Füchsen Berlin (9.) kommt besonders viel zu. Wilczynski ist der Siebenmeter-Mann vom Dienst, bei den Füchsen und im Nationalteam. In der Saison 2007/08 war er mit 237 Goals Torschützenkönig der deutschen Liga, er hatte 111-mal aus dem Spiel heraus gescort und 128 von 155 Siebenmetern verwandelt, 82,85 Prozent Trefferquote sind formidabel.

Wilczynski (27 Jahre, 1,80 Meter, 82 Kilo), dessen Eltern vor dreißig Jahren aus Polen nach Wien kamen, hat immer schon gerne Siebener geworfen, bei Westwien, bei Bregenz. Wie viele Varianten er in petto hat? „Unzählige." Allein, ob er vor dem Wurf zweimal, einmal oder gar nicht andeutet, macht einen großen Unterschied aus. „Ich hab meine vier Lieblingswürfe", sagt er, vor allem aber hat er sich vor jedem Spiel schon intensiv mit dem Torhüter auseinandergesetzt, der ihm da gegenübersteht. Wie groß ist er, wie steht er da, wo hat er vielleicht einen Schwachpunkt?

Dienstag, so Österreich denn den einen oder anderen Siebenmeter zugesprochen kriegt, bekommt es Wilczynski mit Kasper Hvidt zu tun, dem Dänemark 2008 den EM-Titel verdankte. Wilczynski geht davon aus, dass sich Hvidt auch mit ihm auseinandergesetzt hat, seine Wurfvarianten kennt. Der eine weiß, dass der andere weiß, dass der eine weiß, dass der andere weiß. „Ein Spielchen", sagt Wilczynski, für den „Lockerheit und Selbstvertrauen" die Basis zum Erfolg bedeuten.

Welchen Wurf er wählt, dafür entscheidet er sich im letzten Moment, weil er als Schütze noch auf Bewegungen des Goalies reagiert, der höchstens vier Meter vor seinem Tor stehen darf. „Im Fußball wäre das Reagieren oft ein Fehler, im Handball nicht." Ab dem Pfiff des Referees bleiben ihm drei Sekunden, um zu werfen. Zumindest ein Fuß muss dabei auf dem Boden bleiben.

Seinerzeit in Graz war der dänische Goalie Hvidt nicht dabei. Vom Debakel haben sich die Österreicher kürzlich noch einmal die erste Spielhälfte vor Augen geführt. „Wir wissen, dass nicht die Dänen so stark waren, sondern wir unpackbar schwach", sagt Wilczynski. 9:21 stand es da. Neun zu einundzwanzig. (Fritz Neumann, DER STANDARD, Printausgabe, Dienstag, 19. 01. 2010)