"Diese Managergeneration ist heute entweder krank, hat keinen Job mehr oder sitzt vor Gericht", meint Max Palla. Der langjährige Werber ist unter die Berater gegangen und tritt für eine "Entschleunigung" der Wirtschaft ein. Dafür hat er den Begriff "Slow Management" geprägt. Was er darunter versteht, erklärt er im Interview mit Oliver Mark.
derStandard.at: Wie definieren Sie "Slow Management"?
Palla: Ich habe diesen Begriff in Analogie zur Slow Food-Bewegung vor ein paar Jahren geprägt. Die Slow Food-Bewegung hat sich in einem Art dialektischen Gegensatz zum Fast Food etabliert. Die gleiche Analogie lässt sich im Bereich Management herstellen. Fast Management ist uniform, globalisiert, freudlos und gierig. Im Gegensatz dazu könnte man Slow Management als individuell, lokal, regional und situativ positionieren. Es stiftet Spaß und Begeisterung, ist nicht gierig sondern widmet sich der Nachhaltigkeit.
derStandard.at: Sie treten mit dem Begriff für eine "Entschleunigung" der rasanten Wirtschaftswelt ein?
Palla: Ich möchte keine eigene Management-Theorie entwickeln, sondern einfach den Umgang mit Zeit thematisieren. Vor zehn, 15 Jahren hat eine Bewegung begonnen, wo das Thema "Speed Kills" dominant war. Das Credo: Wir müssen schneller sein. Diese Managergeneration, die das scheinbare Erfolgsmotto geprägt hat, ist heute entweder krank, hat keinen Job mehr oder sitzt vor Gericht und ist mit der juristischen Aufarbeitung ihres Tuns beschäftigt. Es geht hier um nichts Esoterisches, sondern um den Umgang mit Zeit.
derStandard.at: Wie soll der im Idealfall aussehen?
Palla: Es geht darum, sich eine Multitemporalität anzueignen. Es gibt Aufgabenstellungen, da muss es ganz schnell gehen. Auf der anderen Seite kommt es zu vielen Situationen, wo es nicht gut ist, sofort zu agieren. Ein schöner Satz aus Sten Nadolnys Buch "Die Entdeckung der Langsamkeit" ist, wo der Kapitän sagt: "Die langsamere Arbeit ist die wichtigere. Alle schnellen Entscheidungen trifft der erste Offizier." Das passt gut fürs Topmanagement.
derStandard.at: Wie würde sich dieses Credo im Alltäglichen - also am Arbeitsplatz - manifestieren?
Palla: Indem man wieder die Zeitautonomie gewinnt. Wenn Sie heute um einen Termin anfragen, dann heißt es oft: "Ja, es geht erst wieder in drei Monaten." Wer möchte so leben? Und wie erfolgreich kann das im Management sein, wenn ich überhaupt keine Zeitautonomie mehr habe? Das heißt, sich Zeitfenster freizuhalten, um etwas Paradoxes zu machen. Wie zum Beispiel für ein oder zwei Stunden während der eigentlichen Arbeitszeit in ein Museum zu gehen. Ich bin davon überzeugt, dass man hier bessere Ideen hat als wenn man zwei Stunden im Büro herumsitzt.
derStandard.at: Lösen sich die fix definierten Arbeitszeiten auf?
Palla: Topmanager sind ja ähnlich wie Unternehmer immer im Dienst. Ob unter der Dusche oder am Bürosessel, die denken immer über Herausforderungen oder Strategien nach. Durch die technologischen Möglichkeiten haben sich viele schon von einem geografisch definierten Arbeitsplatz gelöst und von einer auf der Uhr ablesbaren Arbeitszeit. Diese armen, Blackberry gebeutelten Menschen glauben, dass sie 24 Stunden verfügbar sein müssen. Das genaue Gegenteil sollte der Fall sein. Es gibt Empfehlungen, E-Mails etwa nur mehr zweimal am Tag zu lesen. Dafür nimmt man sich dann eine halbe Stunde Zeit. Sonst lenkt das von der momentanen Tätigkeit ab.
derStandard.at: Vom Multitasking sollte man sich verabschieden?
Palla: Genau. Das Stichwort heißt nämlich Multitemporalität und nicht Multitasking. Gas geben und auf der anderen Seite auf die Bremse steigen, wo es notwendig ist und nicht rund um die Uhr alles machen. Ein klassisches Beispiel ist einer der führenden Manager dieses Landes, der in einem Interview gemeint hat, dass er in der Regel jeden Tag bis Mitternacht arbeitet. Zwei Absätze später stand: Und meinen Ausgleich finde ich in meiner Familie. Wie soll das gehen? Es stellt sich die Frage: Warum fühlt sich ein Topmanager genötigt, sich in der Öffentlichkeit so darzustellen? Das kann für niemanden gut sein: Weder individuell noch betriebs- noch volkswirtschaftlich.
derStandard.at: Damit zu prahlen, dass man so viel arbeitet, ist eine Prestigesache?
Palla: Ja, das ist das Resultat eines falsch verstandenen Prestigedenkens. Ich glaube aber, dass dieses Zeitalter des "Heroentums" bald vorbei ist.
derStandard.at: Glauben Sie, dass diese Managergeneration schon beim Aussterben ist?
Palla: Ja, es lässt sich ein Wertewandel konstatieren. Zum Glück gibt es noch viele, die in der alten Welt leben, sonst hätte ich weniger Aufträge. Mit diesen Topmanagern arbeite ich dann schon ein halbes Jahr lang, damit es zu echten Umstellungen in deren Arbeitsweise kommt.
derStandard.at: Wie lange dauern ihre Coachings im Schnitt?
Palla: In der Regel sehe ich die Leute zweimal im Monat für einen halben Tag. Die meiste Zeit verbringen wir dann beim Gehen. Das nennt sich paradoxe Intervention, wo es darum geht, mit Routinen zu brechen. Ich nenne das "Walk and Talk". Einstein hat zum Beispiel gesagt: "Es ist ein Wahnsinn immer das Gleiche zu tun und dabei auf andere Ergebnisse zu hoffen."
derStandard.at: Sie haben viele Jahre in der schnelllebigen Werbebranche gearbeitet, wo Druck auf der Tagesordnung steht. Hat Sie diese Zeit so geprägt, dass Sie sich nach einem Gegenpol gesehnt haben?
Palla: Weniger das Metier, aus dem ich komme, sondern viel mehr meine Persönlichkeit war ausschlaggebend für meine jetzige Tätigkeit. Bei mir ist es auch darum gegangen, mit Routinen zu brechen. Im Laufe seines Berufslebens muss man sich mehrfach häuten. Es wäre ja auch langweilig, 30 oder 40 Jahre den gleichen Job zu machen. (derStandard.at, 19.1.2009)