Als am 20.Januar 2009 Barack Obama als 44. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wurde, sollte eine neue Ära der amerikanischen Außenpolitik beginnen. Im Fall des Irans lautete dabei das Leitmotiv: gegenseitiger Respekt. Ein Jahr nach dem Entwurf einer neuen Iranpolitik, die im Übrigen so neu gar nicht ist, muss Barack Obama nun den Scherbenhaufen seiner Initiative aufsammeln.

Bisher hat in den vergangenen drei Dekaden, seit der Etablierung der Islamischen Republik, jede US-Regierung versucht, den Iran in Gespräche einzubinden. Von Jimmy Carter bis George W. Bush sind alle amerikanischen Präsidenten daran kläglich gescheitert, denn die Islamische Republik hat mehr als deutlich demonstriert, dass sie weder verhandlungsfähig noch rational agierend ist.

Im Augenblick des Scheiterns der Verhandlungsinitiative hätte Präsident Obama Europa, als den größten Handelspartner der Islamischen Republik, auffordern müssen, die Samthandschuhe auszuziehen und wirtschaftlich endgültig mit dem herrschenden System zu brechen. Doch seit Oktober, dem Zeitpunkt der Verhandlungen in Genf, ist viel Zeit vergangen und nichts dergleichen ist vonseiten der Obama-Regierung geschehen.

Das Feindbild wechselt

Das Argument, Amerika müsse endlich dem Iran auf Augenhöhe begegnen, dann würde schon alles gut werden, zieht nicht mehr, und es war noch nie zutreffend. Eine der Säulen des herrschenden Systems ist es, gerade keine direkten Verbindungen mit den USA zu unterhalten. Dreißig lange Jahre brauchte die Islamische Republik ein äußeres Feindbild, um nach innen autoritär zu herrschen - das iranische Volk zog dabei klugerweise nicht mit.

Gebildet und im wahrsten Sinne des Wortes vernetzt mit der ganzen Welt, hatte die iranische Bevölkerung den Intellekt, zu erkennen, dass nicht die USA, sondern ihre eigene autoritäre Führung verantwortlich für die Probleme vor der Haustür war und ist. Offen bewiesen haben dies die Iraner am vergangenen 4. November, am Tag der Geiselnahme in der US-Botschaft (1979 wurden 52 US-Diplomaten in Teheran für 444 Tage in Geiselhaft genommen; Anm.), und sich ganz und gar vom Antiamerikanismus der herrschenden Elite abgewandt (im vergangenen November standen den regimetreuen antiamerikanischen Kundgebungsteilnehmern oppositionelle Demonstranten gegenüber; Anm.).

Seit dem 12. Juni 2009 ist die Lage im Iran wahrlich eine andere: Das iranische Volk hat sich erhoben, um in die Freiheit zu marschieren. Sein Freiheitsdrang ist nicht mehr zu bremsen. Willkür und Tyrannei bewirken keine Angst mehr und die mutigen Iraner haben Obama unlängst aufgefordert, sich auf ihre Seite zu stellen. In seiner Nobelpreisrede tat er einen ersten Schritt - doch dieser kam ein halbes Jahr zu spät.

Späte Entschuldigung

In seiner historischen Rede in Kairo sprach Barack Obama vom Fehler der Amerikaner, den ersten demokratischen Ministerpräsidenten des Irans, Mossadegh, 1953 zu stürzen, und entschuldigte sich dafür beim iranischen Volk. Nur wenige Tage später machte er selbst einen strategischen Fehler, die iranische Freiheitsbewegung zu unterschätzen und sich lediglich "tief besorgt" zu zeigen - in einer Zeit, in der der oberste Revolutionsführer Khamenei dem iranischen Volk den Krieg erklärte.

Wenn Obama verhindern will, dass sich ein zukünftiger US-Präsident für diesen seinen historischen Fehler beim iranischen Volk entschuldigt, dann ist es höchste Zeit für eine andere Strategie. Es ist nicht die Aufgabe des US-Präsidenten, den Iranern die Freiheit zu bringen, sondern es ist seine Verantwortung, sich ihnen nicht in den Weg zu stellen, wann immer sie selbst nach Freiheit streben.

Wichtige Fragen, wenig Zeit

Eine wahrhaft neue Iranpolitik in diesem Jahr zu entwerfen wäre für Obama noch möglich, wenn Hillary Clinton nicht zur Assistentin im Außenministerium degradiert bleibt, wenn man wüsste, was Dennis Ross als Nahostberater im Weißen Haus eigentlich genau macht und wenn John Limbert, Leitender Beamter im Außenministerium mit Iran-Zuständigkeit, nicht um jeden Preis mit der Islamischen Republik verhandeln wollte.

Die beiden Achillesfersen der Islamischen Republik, die iranische Wirtschaft und die desolate Lage der Menschenrechte, in den Fokus seiner Außenpolitik zu stellen, dafür hat Barack Obama nur noch in diesem Jahr Zeit. Danach beginnt in Amerika wieder der Wahlkampf. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2010)