Karikatur einer "Ostfrau" auf ATV-Niveau.

Montage:diestandard.at/ATV Logo

Heute, Dienstag, geht's weiter mit dem "Geschäft mit der Liebe" auf ATV, einer als Reportage getarnten bizarren Satire auf gescheiterte Männerexistenzen in Österreich. Dass ATV sich mittlerweile auf die Suche nach einem ebenbürtigen Nachfolger für den greisenhaften Baumeister Lugner macht, geschenkt, aber welchen Nutzen kann noch mal die geneigte ZuseherIn aus dem Anblick dieser Männer auf der Suche nach "Liebe" in Osteuropa ziehen?

Wir haben lange überlegt und wissen es nicht. Es kann nicht allein Fremdschämen sein, das Österreichs TV-Publikum über acht lange Folgen an den Fernseher fesseln soll. Es kann auch nicht der (selbstauferlegte) Auftrag einer Medien-Recherche zu rassistischen und sexistischen Stereotypen zum Thema Osteuropa in TV-Produktionen sein, denn bereits nach fünf Minuten beginnen sich die dummdreisten Klischees nervenaufreibend zu wiederholen.

Männerexemplare

Irgendwo muss sich doch ein Hauch von Identifikationsmöglichkeit mit den gebeutelten Protagonisten finden lassen, damit wir das bis zum Schluss durchhalten, oder? Auch das könnte schwierig werden: Als erstes wäre da Mario, Neffe des berühmten Boxers Hans Orsolic und selbst Box-Trainer in Wien, der in Osteuropa - ja was eigentlich? - eine Prostituierte, die Frau fürs Leben, eine Übersetzerin oder eine Lebenshilfe sucht? Er möchte zwar den Eindruck der Selbstgewissheit vermitteln ("I sog immer, der Oarsch muas passen"), aber wenn die Angebetete es ihm zu schwer macht, lässt er es dann auch gleich bleiben ("Wenn sie sie angreifn lasst a bissl, is guad, wenn ned, is bessa ma geht woanders hin.") Vorstellen kann sich der 43-Jährige aber prinzipiell alles, auch, dass die über eine Agentur angeheuerte junge Frau zu ihm nach Österreich zieht.

Etwas älter, dafür aber auch um einiges reflektierter, zeigt sich der 57-jährige Unternehmer Robert. Er habe bisher versucht, seine "große Liebe" in Wiener Stripclubs zu finden, meint die Stimme aus dem Off ganz ohne Ironie, nur leider kein Glück gehabt. Was ihn an einer speziellen "Ostfrau" aus der Ukraine reizt? "Sie kumt gar ned dazua, dass sie verdorben wird, weil sie koa Göd hat." Deshalb freut sich Robert auch besonders, wenn sich zwei junge Frauen links und rechts neben ihm auf der Bettkante platzieren: "You are Mickey Mouse and you are Mickey Mouse", weiß der Mann mit schütteren Haaren zu betören.

"Bei so was hätt ich keine Chance"

Und da wäre dann noch der 22-jährige Peter, bei dem man sich anfänglich noch fragt, warum er angesichts seines Alters und seines Aussehens überhaupt bei einem so peinlichen Seelenstriptease mitmacht: Weder an Lebenserfahrung noch an Euros reich, treibt ihn die eigene Unsicherheit in dieses Aufreiß-Debakel. Nach dem ersten Date mit der 27-jährigen Rumänin gesteht Peter vor laufender Kamera: "Bei so was hätt ich keine Chance. Das is schon gehobene Klasse in Österreich."

Nach den ersten 40 Minuten wird dann auch klar, dass Selbstbewusstsein auch bei den anderen Protagonisten entgegen der vollmundigen Macho-Sprüche nicht besonders groß ausgebildet sein dürfte. Robert weiß, dass die wenigen Frauen gleichen Alters, die für ihn optisch in Frage kämen, einfach "zu umgedreht, zu selbstständig" seien. Und Machokante Mario gibt über die österreichischen Frauen zu bedenken: "A jede Frau glaubt, sie is a Prinzessin." Glücklicherweise ist er kein Prinz.

Was bleibt, ist eine Aneinanderreihung mehr oder weniger peinlicher, konstruierter zwischenmenschlicher Situationen. Den pseudoseriösen Titel "Das Geschäft mit der Liebe" erfüllen die Sendungsmacher mitnichten: die Stimme aus dem Off weiß zwar mit profunden Gesellschaftsanalysen aufzuwarten ("Auch junge Männer finden sich in der heutigen emanzipierten Frauenwelt nicht mehr zurecht"), verabsäumen dafür aber die Aufbereitung jeglicher Hintergrundinformation zu den vorgestellten Vermittlungsagenturen und ihren Geschäftsmodellen. Die ganze Zeit über wird nicht klar, was die Männer in Osteuropa eigentlich tatsächlich suchen: billigen Sex, eine Hausfrau oder gar beides?

Stattdessen erlauben es die Verantwortlichen, dass sich drei Sexisten über eine TV-Stunde lang ungebremst und unwidersprochen selbst produzieren; vorgestellt wird eine Realität, in der sich die ZuschauerIn ernsthaft fragen soll, was in unserer Gesellschaft wohl falsch läuft, dass solche Männerexemplare keine Frau mehr bekommen. Und sie suggeriert, dass es ein Land namens "Osteuropa" gibt, wo solche Opfer der Emanzipation Unterschlupf finden. Regress galore lässt sich dazu nur sagen. (dieStandard.at, 19.1.2010)