Port-au-Prince - Natürlich spielt Angst eine Rolle. Gleich, ob sie begründet ist oder nicht. Man teilt sein Geld auf mehrere Stellen am Körper auf - in die Geldbörse, eine Umhängetasche, in die Schuhe gesteckt. Denn, auch wenn Angriffe auf Ausländer bisher nicht bekannt geworden sind, die Stimmung in Port-au-Prince kann schnell kippen.

Die Grundregel für Journalisten lautet daher, sich ausschließlich tagsüber durch das betroffene Gebiet zu bewegen, am besten zu zweit oder dritt, und zu versuchen, bei Sonnenuntergang in einer sicheren Gegend zu sein. Eigentlich sollte man sich wegen der nach wie vor bestehenden Gefahr von Nachbeben nicht in Gebäuden aufhalten, doch man schläft, wo man kann. Das kann eine Botschaft sein, der Flughafen oder eines der wenigen Hotels, die heillos überfüllt sind.

Gratis im Garten schlafen

"Es tut mir sehr leid, aber unsere Getränke- und Essensvorräte gehen zur Neige. Sie können nicht da bleiben", erklärt die Besitzerin der "Villa Creole" im Stadtteil Petionville. Nach dem Versprechen, nichts zu trinken oder zu essen, darf man bis um nächsten Morgen im Garten schlafen - gratis. Normalerweise kostet das 60 US-Dollar pro Nacht. Das Hotel ist einer der Stützpunkte von Reportern, die Nachrichtenagentur AP ist mit zwei Dutzend Mitarbeitern hier. Einer der Vorteile ist eine funktionierende Stromversorgung. Und die Möglichkeit, sich gegenseitig auszuhelfen. Denn fast jeder hat irgendetwas vergessen - Adapter, Ladegeräte, beispielsweise, dazu kommt das Problem, dass manche Handynetze, aus unerfindlichen Gründen nicht funktionieren.

Anderswo fehlt die Elektrizität vollkommen, am Flughafen etwa kommt nichts aus den Steckdosen. Glücklich hier, wer faltbare Solarpaneele dabei hat. Alles muss improvisiert werden, man tauscht sich mit Kollegen aus. Etwa darüber, wo sichere und wo No-go-Areas sind. Oder, wie man wieder von hier wegkommt. Die Fortbewegung der Ausländer ist Haupteinnahmequelle für jene Haitianer, die über ein Auto und Treibstoff verfügen. 50 Dollar kostet eine Taxifahrt innerhalb von Port-au-Prince Minimum. Will man alleine zurück nach Santo Domingo, werden dafür wenigstens 570 Dollar verlangt. (moe, DER STANDARD Printausgabe, 19.1.2010)