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Schöffengericht und Staatsanwalt waren sich einig: Die "heftige Gemütsbewegung" des Angeklagten sei "allgemein begreiflich" gewesen

Foto: APA/Gindl

Wien - Eine Frau will sich von einem 46-jährigen gebürtigen Türken trennen - jener rastet aus, sticht mehr als ein Dutzend Mal auf die Scheidungswillige ein und prügelt sie dann noch mit einem Stahlrohr.

Dass der Ehemann dafür wegen versuchten Totschlages - und nicht wegen Mordversuchs - nicht rechtskräftig verurteilt wurde, löste politische Empörung aus. Denn sowohl der Staatsanwalt als auch das Schöffengericht hatten dem Angeklagten eine "allgemein begreifliche, heftige Gemütsbewegung" zugebilligt. Die Begründung des Staatsanwaltes: "Gerade Ausländer oder Personen mit Migrationshintergrund befinden sich häufig in besonders schwierigen Lebenssituationen, die sich, auch begünstigt durch die Art ihrer Herkunft, in einem Affekt entladen können."

"Es ist unerträglich, wie die österreichische Justiz immer wieder schrecklichste Gewalttaten von Männern an Frauen, die sich von ihnen trennen wollen, verharmlost und die Opfer mit ihren Urteilen verhöhnt", lautet nun etwa die Reaktion von SPÖ-Frauensprecherin Gisela Wurm.

Grüne Kritik

Auch Alev Korun und Judith Schwentner, Menschenrechtssprecherin beziehungsweise Frauensprecherin der Grünen, erklärten, es sei unzulässig, eine derartige Tat "im Hinblick auf die ethnische Herkunft des Gewalttäters als ,kulturbedingte Affekthandlung' zu beurteilen": "In Österreich lebende Menschen haben unabhängig von ihrer Herkunft das Recht, nach österreichischem Recht geschützt und bestraft zu werden."

Auch steirische SPÖ-Landesrätinnen sowie die Geschäftsführerinnen der Frauenhäuser wandten sich scharf gegen damit verbundene "Verharmlosung" und "bedenkliche Signale".

"Hollabrunner Supermacho"

Gerhard Jarosch, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, betont hingegen, dass "keinesfalls die Tat, sondern ausschließlich die Gemütsbewegung" im Zweifel als "allgemein begreiflich" bewertet worden sei. Und dies sei keine ausschließliche Frage der Herkunft: "Wäre ein Hollabrunner Supermacho, der sich regelmäßig im Wirtshaus betrinkt, vor Gericht gestanden, hätte man dieselbe Frage stellen müssen. Und die Gemütslage eines Universitätsprofessors aus Ankara wäre auch wieder anders zu bewerten."

Die Tat selbst sei "absolut nicht allgemein begreiflich", so Jarosch. Der Staatsanwalt sei deshalb auch in Berufung gegangen, da das verhängte Strafmaß von sechs Jahren Haft für diese Tat als deutlich zu gering erachtet wurde. (APA, frei, DER STANDARD Printausgabe, 19.1.2009)