Anfangs legte sich Bürgermeister Michael Häupl auf die Ringstraße als Mautgrenze fest, nun schließt er nur noch die Stadteinfahrten aus

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Wien - Bei der Frage zur Citymaut geht es laut dem entsprechenden Werbesujet zur Volksbefragung zwar um die „gebührenpflichtige Einfahrt in die Innenstadt", ganz will sich die Wiener SPÖ allerdings nicht mehr auf den Ring als Grenze versteifen. Man müsse sich erst ansehen, wo die Gebühreneinhebung im Fall eines Ja der Wiener Sinn habe, sagt Bürgermeister Michael Häupl. Dass Autofahrer ab Stadtgrenze zahlen müssen, schließt Häupl allerdings aus - dafür sei das Verhältnis zu Niederösterreich zu gut.

Zwei Euro zur Rush Hour

Laut Alexander Fürdös kommt man mit einer Gebühreinhebung an den 60 Stadteinfahrten allerdings am schnellsten ans Ziel: Dadurch ließe sich der Pendlerverkehr massiv eindämmen, glaubt der Verkehrsexperte, der am Stockholmer Modell mitgearbeitet und für die Grünen ein Konzept für Wien erarbeitet hat. Nach Fürdös' Vorschlag würde die Straßenbenützung für im Pkw Zugereiste von Montag bis Samstag zwischen 5 und 20 Uhr einen Euro kosten, in den Rush-Hour-Zeiten (7 bis 10, 16 bis 19 Uhr) zwei Euro. Der Tageshöchstpreis soll fünf Euro nicht überschreiten. 

Abgebucht wird die Gebühr mittels elektronischen Maut-Kastels - einer sogenannten On- Board-Unit - werden. Derzeit fahren täglich rund 200.000 Pendler täglich zum Arbeiten in die Stadt. Laut Fürdös könnten mit der Citymaut in Wien 100 Millionen Euro eingenommen werden, zehn Prozent davon müsste die Stadt in die Systemerhaltung stecken.
„Man muss den Leuten dann natürlich anderweitig entgegenkommen", sagt der grüne Umweltsprecher Rüdiger Maresch „sonst ist es pure Abzocke." Um einen Euro pro Tag, so der grüne Vorschlag, sollen Pendler künftig ihr Gefährt in Park-and-Ride-Anlagen abstellen und mit den Öffis in die Stadt fahren können. Sämtliche Einnahmen aus der Citymaut sollen für den Ausbau des Öffi-Verkehrs in und um Wien verwendet werden.

Was die absolut regierende SP von der Citymaut hält, lässt sich schon aus den einleitenden Worten zur Frage auf dem Stimmzettel zur Volksbefragung herauslesen: „In Wien konnte durch die Verkehrspolitik (Ausbau öffentlicher Verkehr, Parkraumbewirtschaftung, Wohnsammelgaragen, Ausbau Radwegenetz) in den letzten Jahren der Autoverkehr in der Stadt deutlich reduziert werden."

Verdienen mit Parkpickerln

Vor allem der Begriff Parkraumbewirtschaftung wird derzeit von sämtlichen Wiener Roten in der Citymaut-Diskussion gern als Gegenargument verwendet. Im vergangen Jahr nahm die Stadt Wien mit den Parkpickerln gut 60 Millionen Euro ein. Das Geld ist zweckgebunden - und wird etwa für Park-&-Ride-Anlagen, Garagenförderungen und den Ausbau von Radabstellanlagen verwendet. 

Das gebührenpflichtige Parken im öffentlichen Raum sei als verkehrsberuhigende Maßnahme allerdings nur bedingt geeignet, sagt Verkehrsexperte Fürdös. „60 Prozent der Pendler parken auf einem Firmenparkplatz - und sind deshalb nicht mit der Parkraumbewirtschaftung einfangbar." 

Die Citymaut - wie ursprünglich von Häupl vorgeschlagen - nur auf den 1. Bezirk zu beschränken, hält auch Verkehrsplaner Tadej Brezina von der TU Wien für nicht zielführend. „Das schießt am Problem meilenweit vorbei." Den Gürtel als Mautgrenze sieht Brezina als Möglichkeit, die inneren Bezirke zu entlasten - die allerdings auf Kosten der Außenbezirke gehe. „Man muss auch überlegen, ob man nicht gleichzeitig die Parkraumbewirtschaftung mit gestaffelten Gebühren auf das gesamte Stadtgebiet ausdehnt." 

„Abzocke" der Speckgürtel-Bewohner 

Der Autofahrerklub ARBÖ lehnt das grüne Citymaut-Modell jedenfalls als „unsozial" ab: „Es bringt als Spaltpilz nur Unfrieden in die gesamte Ostregion", sagt Landesgeschäftsführer Herbert Hübner. Die Gebühr richte sich gegen fleißige Pendler, „die ja nicht aus Jux und Tollerei lange Anfahrten in die Arbeit auf sich nehmen". 

Die Gleichung „Pendler ist gleich sozial schwach" stimme schon lange nicht mehr, argumentiert hingegen der grünnahe VCÖ. In den vergangenen 20 Jahren seien zigtausende freiwillig ins Umland gezogen, die Grundstückspreise am Speckgürtel sind zum Teil so hoch wie nirgendwo sonst in Österreich. „Eine umfassende Citymaut ist eine wirksame Maßnahme, um den Straßenverkehr zu verringern", sagt VCÖ-Experte Martin Blum. (Martina Stemmer, DER STANDARD Printausgabe, 19.1.2010)