In den meisten anderen Bereichen geht es nur schrittweise voran - auch weil ihm wie in der Außenpolitik berechenbare Partner fehlen.
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Guantanamo: Keine Schließung binnen Jahresfrist
Barack Obama war sich so sicher, dass er die Direktive auch in den Gefängnishöfen Guantánamos aushängen ließ, wo der Zensor sonst eher nur Belangloses durchgehen lässt. Kaum im Amt, ordnete er die Schließung des Lagers auf Kuba an, versehen mit einer Frist. Ein Jahr gab er sich Zeit, um den Zankapfel aus der Welt zu schaffen. Wie es funktionieren sollte, war klar: die wirklichen Terroristen anklagen und jene, die unschuldig oder nur Mitläufer waren, abschieben.
Erster Prozess in New York
Was Obamas Juristen dann in den Unterlagen fanden, eignete sich allerdings kaum, um vor einem ordentlichen Richter Bestand zu haben. In vielen Fällen mussten sie von vorn beginnen, da frühere Folter jegliche Anklage erschwert. Heute gibt es zumindest ein Zwischenergebnis: Khalid Scheich Mohammed, der mutmaßliche Chefplaner der 9/11-Anschläge, soll noch in diesem Jahr zusammen mit vier Komplizen vor ein Gericht in New York gestellt werden.
Schwieriger als gedacht ist es, eine neue Heimat für die Abzuschiebenden zu finden. Länder wie Syrien, Ägypten oder Algerien kommen nicht infrage, weil Islamisten mit Quälereien zu rechnen haben. Der Transfer von Jemeniten liegt auf Eis, seit Berichte kursieren, wonach sich freigelassene Guantánamo-Insassen einer Al-Kaida-Zelle im Jemen anschlossen. Die USA selbst nehmen keine Exgefangenen auf. Die Europäer tun sich, bei aller Rhetorik, ähnlich schwer. Fest steht dagegen, dass das Camp umziehen wird, nach Thomson, ein Mississippi-Dorf in Illinois. (fh)
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Wirtschaftspolitik: Banken, Boni, Arbeitslose und Milliardenspritzen
In Wirtschaftsfragen hat Barack Obama seinen ersten größeren Erfolg feiern können. Er hat dem Kongress im vergangenen Frühjahr ein Stimuluspaket im Volumen von immerhin 800 Milliarden Dollar herausgerissen. Seither allerdings ist mehr oder weniger Funkstille: In der systematischen Regulierung der Finanzmärkte ist der Präsident wenig vorangekommen. Zuletzt ließ er mit einer Art Strafgebühr für Banken von sich hören, weil diese - eben erst durch Steuergelder vor dem Bankrott gerettet -, als ob nichts geschehen wäre, Milliardenboni an ihre Manager ausschütten wollen.
Auf dem Arbeitsmarkt haben die Stützungen der Wirtschaft eine Stabilisierung gebracht. In den jüngsten Daten pendelte sich die Arbeitslosigkeit bei rund zehn Prozent ein. Im November gab es sogar wieder ein bescheidenes Jobwachstum von 4000 Stellen in den USA. Insgesamt allerdings gingen 2009 in den Vereinigten Staaten mehr als 4,2 Millionen Arbeitsplätze verloren. Sogenannte Green Jobs, wie sie Obama im Umwelttechnikbereich fördern will, wachsen nicht im gleichen Maße nach.
Einkaufsmanager: Positive Signale
Der Immobilienmarkt ist weiterhin von einer nachhaltigen Erholung weit entfernt, die US-Autokonzerne haben sich dagegen wieder erfangen und rechnen 2010 mit besseren Geschäften. Positive Signale kommen auch vom US-Einkaufsmanager-Index ISM der im Dezember unerwartet stark gestiegen ist. Insgesamt liegen die Wachstumsprognosen für heuer bei zwei Prozent, 2011 soll die US-Wirtschaft dann wieder um 2,7 Prozent zulegen. (pra)
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Außenpolitik: Wenig Rückmeldung auf Obamas Engagement
Mit einer Charmeoffensive versuchte Barack Obama den auf der Stelle tretenden Friedensprozess in Nahost wieder in Fahrt zu bringen. Die USA, suggerierte er, sind zurück als ehrlicher Makler. Optimistisch sprach er von einer Partnerschaft mit der muslimischen Welt, die es zu erneuern gelte. George Mitchell, erfolgreicher Vermittler in Nordirland, begann als Sondergesandter durch die Region zu reisen. Es roch nach Aufbruch. Zwölf Monate später ist die aufgeflackerte Hoffnung totaler Ernüchterung gewichen.
Israels Premier Benjamin Netanjahu ist nicht bereit, Washingtons Forderung nach einem Baustopp jüdischer Siedlungen im Westjordanland zu erfüllen. Der palästinensische Staatschef Mahmud Abbas will nicht verhandeln, solange der Siedlungsbau weitergeht. In den Regierungspalästen der arabischen Welt ist Obamas Offensive des Lächelns verpufft. Angesichts festgefahrener Fronten denkt der US-Präsident nun über einen Befreiungsschlag nach. An die Stelle kleiner Schritte sollen vorgezogene Gespräche über die Kernfragen treten, etwa die Grenzen zwischen Israel und Palästina oder den Status Jerusalems. Die ehrgeizige Strategie birgt ein hohes Risiko, zeigt aber auch, dass es Obama ernst ist.
Eskalation in Afghanistan
In Afghanistan hat sich Obama nach langem Abwägen für eine Eskalationsstrategie entschieden und 30.000 zusätzliche Soldaten entsandt. In Pakistan versuchen die US-Militärs ihren Einfluss im Land zu erhalten und engagieren sich in den an Afghanistan angrenzenden Stammesgebieten verstärkt in einem Drohnenkrieg. Ganz wie es Obama bereits in seinem Wahlkampf betont hatte, sieht er dort den Hort islamistischer Jihadisten.
Seine Strategie des Engagements hat im Atomstreit mit dem Iran bisher wenig gebracht. Eine Deadline der Amerikaner zum Jahreswechsel ist verstrichen, jetzt berät die internationale Gemeinschaft weiter. Wie beim Klimaschutz muss Obama auch hier die Chinesen ins Boot holen. Die US-Außenpolitik lenkt ihren Fokus vermehrt auf die Pazifikregion. Im Verhältnis zu den Europäern herrscht wieder Schönwetter, mehr - Stichwort Afghanistan - aber auch nicht. (fh, pra)
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Klimaschutz: Ein Gesetz zur CO2-Reduktion gesucht
Die USA sollten unter Barack Obama zur führenden Macht in der globalen Klimaschutzpolitik werden. Dafür hat es - zumindest zuletzt beim UN-Gipfeltreffen in Kopenhagen - nicht ganz gereicht. Aber immerhin: Im Gegensatz zu Präsident George W. Bush erkennt diese Administration das Problem und versucht, auch im eigenen Land Lösungen zu finden.
Im Senat will der Präsident noch vor den Midterm-Wahlen im November ein Gesetz durchbringen, das die CO2-Emissionen in den USA verringern soll. Senator John Kerry soll seine Kollegen im Auftrag Obamas dazu bringen, bevor die demokratische Mehrheit möglicherweise passé ist. Neben den Positionen der Entwicklungsländer (China) hängt von den US-Bemühungen ab, ob die politische Erklärung von Kopenhagen in ein verbindliches Abkommen münden kann. Gegner von Obamas Plänen wenden ein, dass ein solches Gesetz Energie- und andere Verbraucherpreise anheben und der Wirtschaft schaden könnte. (pra)
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Gesundheitsreform: Beschluss in den nächsten Wochen
Es ist das innenpolitische Großprojekt des Präsidenten. Nach schwierigsten Verhandlungen im Senat und im Repräsentantenhaus ist die Gesundheitsreform nun im Endspurt: Vergangene Woche einigten sich beide Häuser grundsätzlich über eine Vereinheitlichung ihrer jeweiligen Gesetzesnovellen. Ein Beschluss steht in den kommenden Wochen an und soll nach den Plänen des Weißen Hauses noch vor Barack Obamas erster "State of the Union" -Rede Ende des Monats gefasst sein.
Mit der "historischen Reform", der ersten seit Einführung von Medicare für ältere Bürger unter Präsident Lyndon B. Johnson 1965, löst der Präsident ein zentrales Wahlversprechen ein, auch wenn es einigen Unmut dagegen auf demokratischer Seite gibt und erbitterte Gegnerschaft unter den Republikanern.
Mehr als 30 Millionen US-Bürger kommen mit dem neuen System zu einer Krankenkasse, Versicherungskonzerne freuen sich über neue Kundschaft. Kosten: rund 900 Mrd. Dollar über zehn Jahre. Finanziert wird das Paket unter anderem aus Steuern auf teure Gesundheitspolizzen. (pra/DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2010)