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Identifikationsfiguren für Zwangsumgesiedelte

Foto: AP Photo/20th Century Fox

Peking - Trotz des anhaltend starken Besucheransturms dürfen chinesische Kinos die normale Leinwandversion von "Avatar" nur noch bis Freitag zeigen. Kinos in Peking berichteten am Dienstag, dass lediglich Lichtspieltheater mit 3D-Technologie den bisher erfolgreichsten Film in China weiter zeigen dürften. Medienberichten zufolge soll "Avatar" in China einen Nerv getroffen haben, weil sich viele Chinesen durch die Geschichte über die gewaltsame Vertreibung eines Volkes an das Schicksal ihrer eigenen Familien erinnert fültlen, die zwangsweise ihre Häuser für neue Immobilienprojekte und Modernisierungen verlassen müssen.

Laut Hongkonger Zeitung "Apple Daily" wollen Chinas Propagandabehörden den Siegeszug von "Avatar" stoppen, "weil er die Besucher an Zwangsumsiedlungen denken lässt und möglicherweise Gewalt auslösen könnte". Auch nehme der ausländische Film heimischen Produktionen die Einnahmen weg. Anstelle "Avatar", für den sich immer noch Schlangen vor den Kassen bilden, startet am Samstag der chinesische Streifen "Konfuzius", mit dem traditionelle Werte des Philosophen propagiert werden sollen. Kinos müssen für das Wochenende vorbestellte Karten für "Avatar" erstatten.

"Nur auf einem anderen Planeten oder in China"

Die bekannte chinesische Kolumnistin Hung Huang beschrieb in der Tageszeitung "China Daily", warum sich viele Chinesen mit dem Na'vi-Volk in dem Science-Fiction-Film identifizieren und sprach von einem "sozialen Phänomen". "All die zwangsweisen Umsiedlungen alter Nachbarschaften in China machen uns heute zu den einzigen Erdenbürgern, die wirklich das Leid der Na'vi nachempfinden können." Der berühmte chinesische Blogger Han Han schrieb: "Für Besucher in anderen Ländern ist eine solche brutale Räumung jenseits ihrer Vorstellungskraft. Es kann nur auf einem anderen Planeten oder in China stattfinden."

"Ich frage mich, ob James Cameron heimlich in China gelebt hat, bevor ihm eine solchen Idee für die Geschichte von "Avatar" kam, wenngleich mit einem vielversprechenden Ende", zitierte die Staatsagentur einen Blogger. Offen zitierte Xinhua auch den Kommentar eines Internetnutzers: "Wenn in China ein Immobilienunternehmen ein Stück Land haben will, müssen die Bewohner weichen - wenn sie sich weigern, greift das Immobilienunternehmen zu Gewalt."

Erfolgsgeschichte ...

In den ersten acht Tagen hatte "Avatar" in China bereits die Rekordsumme von 300 Millionen Yuan (30 Millionen Euro) eingespielt. Ob das erklärte Ziel von 500 Millionen Yuan nach dem weitgehenden Rückzug noch erreicht werden kann, ist ungewiss. Der Film hatte eigentlich über die wichtige Ferienzeit zum chinesischen Neujahrsfest noch bis Ende Februar in den Kinos laufen sollen. "Avatar" hatte in der Nacht zum Montag den Golden Globe als bester Film des Jahres gewonnen. Auch wurde sein Regisseur James Cameron von der Vereinigung der Auslandspresse in Hollywood ausgezeichnet.

... oder "viele leere Plätze"

Eine prosaische Begründung lieferte das offizielle China am Mittwoch nach: Mangelndes Interesse an dem Science-Fiction-Spektakel sei der Grund, dass der Film nur noch eingeschränkt gezeigt wird. Es sei eine kommerzielle Entscheidung gewesen, da nicht mehr ausreichend viele Besucher die normale Leinwandversion hätten sehen wollen. "Es gab viele leere Plätze. Deswegen ist es nur normal, die zweidimensionale Version von der Leinwand zu nehmen", argumentierte der Vizechef der Verwaltung für Radio, Film und Fernsehen, Zhang Hongsen, nach Angaben der Nachrichtenagentur China News: "Für die dreidimensional ausgelegte Version ändert sich nichts."

 China hat 1.700 Lichtspieltheater mit über 4.000 einzelnen Kinosälen, von denen immerhin etwa 500 Filme in 3D-Projektion zeigen können. Kein Diskussionsthema war bislang, wie sehr die 2D-Fassung von "Avatar" schon in DVD-Versionen kursiert, für die keine Tantiemen in die USA fließen. (APA)