Das österreichische Strafrecht schützt Menschen vor verhetzenden Äußerungen und die Menschenwürde verletzenden Beschimpfungen. Alle Menschen? Nein, denn nur bestimmte Gruppen kommen bisher in den "Genuss" der Nennung im Strafgesetzbuch (StGB). Paragraph 283 StGB nennt Religionen und Kirchen als schützenswert, sowie Menschen, die wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Religion, Kirche, Rasse, einem Volk, einem Volksstamm oder einem Staat Angriffen ausgesetzt sind.

Verhetzungsparagraph soll geändert werden

Das soll sich jetzt ändern, geht es nach dem Willen der Justizministerin. Im Entwurf zum Terrorismuspräventionsgesetz ist eine deutliche Erweiterung der geschützten Gruppen vorgesehen. In Zukunft soll der Wortlaut des entsprechenden Paragraphen auf feindseligen Handlungen "gegen eine nach den Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe" geändert werden.

In den Erläuterungen zum Gesetz begründet man die geplante Erweiterung der Gruppen etwa mit Empfehlungen des Europarates oder Rahmenbeschlüssen der EU zum Antidiskriminierungs- und Antirassismusrecht. Die Bestimmung diene beispielsweise dazu, "gegen Hassprediger vorgehen zu können".

Meinungsfreiheit in Gefahr?

Kritik an der Ausweitung des Verhetzungsparagraphen kommt von unerwarteter Seite - etwa von Rechtsanwaltskammerpräsident Gerhard Benn-Ibler. Der befürchtete im Gespräch mit derStandard.at, durch die geplante Novelle sei die Meinungsfreiheit in Gefahr. "Wir halten eine Ergänzung der Tatbestände nicht für notwendig", so der Jurist. "Wenn etwa gegen Homosexuelle gehetzt wird, ist das sicher moralisch verwerflich, aber man muss es nicht gleich strafrechtlich verfolgen".

Eine Erweiterung würde, glaubt Benn-Ibler, einen zu weiten Spielraum schaffen. "Die Frage, was ist noch kritische Auseinandersetzung, und was ist schon Verhetzung - da muss man die Grenzen ganz genau ziehen. Wenn man zu viel unter Strafe stellt, wird sich niemand mehr trauen, seine legitime, wenn auch vielleicht unwillkommene freie Meinung zu äußern". Rassistische Äußerungen seien etwa, so der Jurist, unbedingt strafwürdig, andere teilweise "nur" verwerflich. Diese strafrechtlich zu verfolgen entspreche nicht "unserem gesellschaftlichen Umfeld und ist eine Verharmlosung etwa rassistischer Feindseligkeiten", so Benn-Ibler in einer Aussendung.

Keine Handhabe gegen Schwulenhass

Marco Schreuder, grüner Gemeinderat in Wien und Homosexuellen-Aktivist, zeigt sich gegenüber derStandard.at "erschrocken" von den Äußerungen Benn-Iblers. "Zwischen freier Meinungsäußerung und Verhetzung liegen Welten", so Schreuder. "Es ist nicht akzeptabel, dass mit diesem Argument diskriminierte Gruppen gegeneinander ausgespielt werden". Er sieht eine "Hierarchisierung" der von Diskriminierung Betroffenen. "Wir brauchen diese Erweiterung des Verhetzungsparagraphen", meint Schreuder.

"Momentan ist es so, dass wir zum Beispiel keine rechtliche Handhabe haben, wenn, wie es immer wieder passiert, ein Hasssänger dichtet: 'Schießt allen Schwulen eine Kugel in den Kopf'". Schreuder hält nichts von einer Hierarchie der Verwerflichkeit. "Wenn gegen Bevölkerungsgruppen Stimmung gemacht wird, muss die freie Meinungsäußerung enden, da darf es keine Abstufung zwischen verschiedenen Zielobjekten der Verhetzung geben".

"Europäische Wertvorstellungen" als Maßstab?

Zufrieden mit der geplanten Erweiterung der Tatbestände zeigt sich übrigens auch das Innenministerium in seiner Stellungnahme zum Entwurf. Und regt außerdem noch eine zusätzliche Erweiterung an, mit durchaus kryptischem Wortlaut: Auch wer "gegen die Wertvorstellungen eines europäischen, demokratischen Staates und seiner Gesellschaft eingestellt ist" und aus diesen Gründen zu feindseligen Handlungen aufruft, solle bestraft werden. Und das gerne auch schärfer: "Auch hier erscheint die Strafdrohung von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe in Anbetracht des Gefährdungspotentials als zu gering und eine Anhebung auf eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren als erforderlich", so die Stellungnahme weiter. (Anita Zielina, derStandard.at, 19.1.2009)