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Istanbul liegt nahe der Grenze zwischen der anatolischen und eurasischen Platte. Geowissenschafter sehen die Großstadt von möglichen zukünftigen Erdebeben bedroht.

Foto: APA/EPA/TOLGA BOZOGLU

Ulster/Karlsruhe - Die in der Zwischenzeit befürchteten über 200.000 Todesopfer durch das Erdbeben in Haiti in der vergangenen Woche rücken auch andere gefährdete Regionen wieder mehr in den Focus. Geowissenschafter warnen in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature Geoscience, dass an einigen neuralgischen Punkten der Erde ähnlich schwere Beben zu befürchten sind.

So erwartet John McCloskey von der Universität Ulster etwa ein Beben im Westen der indonesischen Insel Sumatra. Ähnlich wie in Haiti habe sich auch hier an der Grenze der indischen und asiatischen Platte seit 200 Jahren viel tektonische Energie aufgestaut. "Die Situation ist vergleichbar mit einem Bogen, der gespannt wird. Über hunderte Jahre speichern die Platten Energie, indem sie sich verbiegen und verformen. Irgendwann wird diese Energie in wenigen Sekunden freigesetzt, in einem massiven Erdbeben oder auch in einem weiteren Tsunami, falls sich dabei der Meeresboden verbiegt", so McCloskey.

Gefahr für die türkische Großstadt

Ein weiteres dieser Gebiete unter Spannung ist die Grenze zwischen der anatolischen und eurasischen Platte in der Türkei. Seit 1939 bebt die Erde hier sukzessiv, zuletzt im Izmit-Beben im August 1999, das 18.000 Todesopfer forderte. "In der Kette von Erdbeben wäre nun jenes westlich von Izmit, also südlich von Istanbul an der Reihe. Das bedeutet eine extreme Gefahr für die türkische Großstadt, besonders wenn die Störung mit einem einzigen großen Beben bricht", so Tobias Hergert vom Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology am Karlsruher Institut für Technologie.

Hergert hält es für wahrscheinlich, dass es in Westanatolien zu mehreren kleineren Beben kommt, die jedoch ebenfalls eine Magnitude von sieben überschreiten könnten. Die Verwerfungszone liege bloß 20 Kilometer von der Stadtgrenze entfernt, wodurch für Istanbul die Vorsorge unerlässlich sei. "Die Stadtverwaltung ist bereits aktiv in der Erstellung eines Notfallplans, bei dem etwa kritische Infrastrukturen und Versorgungswege wie etwa Brücken identifiziert und Alternativrouten entworfen werden", so der Geophysiker.

Städte in Risikogebieten

Wie in allen Erdbebengebieten gelte allerdings, dass Erdbeben zwar vorhersehbar, jedoch nicht exakt vorhersagbar sind. "Weltweit gibt es unzählige tektonisch gefährdeten Regionen und man kann nicht sagen, in welcher die Erde als nächstes beben wird. Besondere Aufmerksamkeit gilt jedoch den Risikogebieten, an denen sich Megacitys befinden. Dazu gehören neben Istanbul auch Neu Delhi, Katmandu, Teheran, Tokio und Los Angeles", so Hergert. (red/pte)