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Ex-Informationsminister Ruhollah Hosseinian leitet im Parlament eine Fraktion, die bedingungslos die Regierung unterstützt.

Foto: AP / Vahid Salemi

"In jeder Behörde, in jedem Amt und sogar in den Ministerien sitzen Leute, die mit der Opposition sympathisieren und die Arbeit der Regierung boykottieren" schrieb Ruhollah Hosseinian in einem Brief an den Parlamentspräsidenten Ali Larijani und bat um die Entlassung als Abgeordneter.

Ruhollah Hosseinian ist nicht irgendein Parlamentarier. Er war ein gefürchteter Informationsminister und leitet im Parlament eine Fraktion, die bedingungslos die Regierung unterstützt. Er ging auch nicht aus Sympathie für die "grüne Bewegung". In seinem Brief an den Parlamentspräsidenten beklagte er die seiner Meinung nach weiche Haltung verschiedener Behörden und Organe gegen die Opposition und die verzweifelte Lage der Konservativen.

Seine Rücktrittsdrohung führte im Kreis der Konservativen zu heftigen Diskussionen - obwohl Hosseinian später sein Rücktrittsansuchen auf Forderung seiner Kollegen zurücknahm. Sein dramatischer Aufschrei zeigt jedoch gut, wie die Konservativen die Situation im Iran einschätzen. In letzter Zeit sind vermehrt Anzeichen einer neuen Strategie, die auf Versöhnung gerichtet ist, zu erkennen sind. Übrigens auch im oppositionellen Lager.

Ob die ganze grüne Bewegung, die eine eigene Dynamik entwickelt hat, sich dieser Tendenz anschließen wird, ist eine große Frage. Auf der Seite Mir-Hossein Mussavis, Mehdi Karrubis und Mohammad Khatamis wird trotz aller Differenzen mit der Regierung ein gewisses Entgegenkommen sichtbar. Parallel dazu haben die Drohungen der Regierung gegen die Opposition in letzter Zeit trotz aller umstrittenen Gerichtsurteile an Intensität verloren.

Alle Zeichen deuten aber auf eine Massenbewegung, die sich in alle Richtungen durchsetzt und in der Bevölkerung feste Wurzeln, unabhängig von der Haltung der Politiker, schlägt. Hinter den Kulissen wird heftig über weitere Strategien diskutiert. Nach und nach gewinnen die Realpolitiker bei den Konservativen die Oberhand. Der Brief von Ruhollah Hosseinian ist für Kenner der Situation ein verzweifelter letzter Versuch der Radikalen, wieder das Ruder an sich zu reißen. Die radikalen Kräfte haben Angst, beiseite geschoben zu werden.

Auch bei den konservativen Freitagsimamen lassen die Drohungen gegen die Opposition nach. Und die bereits üblichen Angriffe gegen Expräsident Ali Akbar Hashemi Rafsanjani werden von Tag zu Tag weniger. Am 6. Februar ist der 40. Todestag von Ayatollah Hossein-Ali Montazeri, und eine Woche später jährt sich die Revolution zum 31. Mal: zwei Anlässe, die wieder eine Herausforderung für die Regierung werden könnten. Die Opposition auf der Straße bereitet sich unabhängig von der Haltung Mussavis und Karrubis auf diese beiden Tage vor.

Im Internet wird zur Zeit über Strategie und Taktik diskutiert, und langsam zeigen sich Konturen einer neuen Haltung, die in Richtung zivilen Ungehorsams geht und Gewalt auch nach dem Attentat auf den Physiker Masud Ali Mohammadi ablehnt. Wie immer in den letzten 100 Jahren im Iran scheinen diesmal auch wieder die Massen den Politikern einen Schritt voraus zu sein. (M.M. aus Teheran für derStandard.at, 19.1.2010)