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Wer in der Muttersprache gut geschult wurde, lernt auch die Zweitsprache leichter

Foto: REUTERS/JIANAN YU

Wien - Während die Bundesregierung auf Deutschtests vor der Einreise pocht, bringen Integrations-Praktiker einen Gegenvorschlag ins Spiel: Das österreichische Schulsystem sollte die Muttersprache der Migrantenkinder fördern, ordert Michaela Judy, Direktorin der Volkshochschule Ottakring. Auch sollten die Eltern zu Hause unbedingt ihre eigene Muttersprache weiter verwenden: Denn wer seine eigene Muttersprache gut kann, tue sich auch mit Deutsch-Lernen viel leichter, konstatierte Judy am Dienstag in einer Pressekonferenz mit Integrationshaus, Arbeiterkammer und dem Zentrum für soziale Innovation. Zweisprachige Kinder könnten insgesamt mit Sprache besser umgehen.

Wie groß das Förderdefizit in österreichischen Schulen ist, ergibt sich für Gabriele Schmid, Leiterin der Abteilung Bildungspolitik in der Arbeiterkammer Wien, aus einem Vergleich: Jugendliche, die im Ausland in ihrer Muttersprache lesen gelernt haben und dann nach Österreich gekommen sind, können am Ende besser Deutsch lesen, als Migrantenkinder, die in Österreich eingeschult wurden und in der "Fremdsprache" Deutsch lesen gelernt haben. Auch sie plädiert für muttersprachlichen Unterricht für Migrantenkinder.

"Eltern sind nicht das Problem"

Dass der Bildungsfortschritt an den Eltern der Migranten scheitere, bezweifeln die Experten: "In relativ vielen Migrantenfamilien ist die Wertschätzung für Bildung sehr hoch, aber die Möglichkeit für Förderung gering", sagt Judy. Ähnlich sieht es Gächter vom Zentrum für Soziale Innovation: "Die Eltern sind nicht das Problem", sagt er. Unter den Migranten hätten 70 bis 95 Prozent der Elterngeneration Pflichtschulabschluss, bei den Kindern seien es um 30 bis 40 Prozentpunkte weniger. "Das ist ein enormer Bildungsfortschritt, mehr konnten die Eltern von sich aus nicht leisten", sagte Gächter. Die Kluft zu einheimischen Familien, wo Kinder von Eltern mit Pflichtschulabschluss häufiger einen besseren Abschluss schaffen, zu verkleinern, hätte das Bildungssystem leisten müssen.

Migrationssprachen seien zu unterrichten, wünscht sich auch Schmid. Sie kritisiert, dass zum Beispiel Türkisch in österreichischen Oberstufen nicht als Zweitsprache anerkannt sei. Und ganz abgesehen von der Integration der Jugendlichen wäre es auch volkswirtschaftlich sinnvoll, wenn zahlreiche Österreicher auf höchstem Niveau Türkisch oder Serbisch/Kroatisch könnten, ergänzt Josef Wallner von der Abteilung Arbeitsmarkt der Arbeiterkammer Wien: Schließlich hat Österreich mit diesen Ländern intensive Wirtschaftsbeziehungen. (APA)