SPRACHE/BILDUNG

Deutsch öffnet Tür nach Österreich

Das erste von sieben "Handlungsfeldern" im Nationalen Aktionsplan Integration (NAP I.) widmet sich dem Thema "Sprache und Integration". Jedes Kapitel ist gegliedert in Herausforderungen, Grundsätze und Ziele.

Das 44-Seiten-Kompendium beginnt das Sprachkapitel mit dem Ausbau der frühen sprachlichen Förderung samt Sprachstandsfeststellungen im Kindergarten (die es bereits gibt). Referiert wird bereits Fixiertes, nämlich das verpflichtende Gratiskindergartenjahr, das spätestens ab September 2010 kommen soll. "Frühzeitige Mehrsprachigkeit ist zu fördern." Es soll mehr mehrsprachige Pädagogen geben, die interkulturelle Kompetenz mitbringen.

Im Erwachsenenbereich sollen mehr gezielte Sprachkurse für Frauen und Eltern angeboten, die Anerkennung oder Nostrifizierung von im Ausland erworbenen Ausbildungen und akademischen Graden soll vereinfacht werden.

Wer künftig nach Österreich neu zuwandern und auch bleiben will, muss sprachliche Fitness nachweisen können, denn es gilt der Grundsatz: "Wer dauerhaft in Österreich leben und am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben will, muss bereit sein, die deutsche Sprache zu erlernen." (nim/DER STANDARD, Printausgabe, 20.1.2010)

ARBEIT/BERUF

Neuzuziehende in der Warteschleife

Der erste Satz im Kapitel Arbeit lautet: "Auch Migrant/innen haben zum Wirtschaftswachstum beigetragen." Demgegenüber: Hohe Arbeitslosigkeit, geringe Deutschkenntnisse, ihr geringer Bildungsgrad. Diese Mixtur erschwere eine Integration in Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Darum soll in Zukunft gelten: "Zuwanderung hat sich an den Interessen Österreichs, und da vor allem am Arbeitsmarkt, zu orientieren" - soll also nicht mehr so "mangelhaft gesteuert" ablaufen.

Klartext spricht der "Grundsatz" "Integration vor Neuzuzug", dafür lässt das Ziel "Aufenthaltsrecht und Arbeitserlaubnis sind adäquat aufeinander abzustimmen" viel Interpretationsspielraum.

Zögerlich bleibt der Plan beim Arbeitsmarktzugang für ausländische Studierende. Im Gegensatz zu Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP), der im Standard forderte: "Wer hier studiert hat, soll hier arbeiten dürfen", verspricht der NAP I. nur vage "unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage verbesserten Zugang zum Arbeitsmarkt".

Die angekündigten Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping und "Nichtzahlen von Sozialabgaben" könnten den Integrationswillen der angesprochenen Wirtschaft leicht irritieren. (nim/DER STANDARD, Printausgabe, 20.1.2010)

RECHTSSTAAT/WERTE

Fokus Frauen, Vorbild Verwaltung

Das Rechtsstaat-Kapitel betont, dass bei Übergriffen gegen Grundwerte "kulturell geprägte Einstellungen keine Berücksichtigung" finden dürfen. Das gelte vor allem für vier explizit genannte Bereiche:

  • Gezieltes Fernhalten weiblicher Familienmitglieder von der gesellschaftlichen Teilhabe
  • Gewalt in der Familie
  • Unterdrückung der Frau im Familienverband
  • "Zwangsehen" oder geschlechtsspezifische Verstümmelung von Frauen.

Es findet sich aber auch der Hinweis, dass Rassismus, Extremismus, Verhetzung und Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund "konsequent zu bekämpfen" sind.

Dazu sollen Werte, Normen und Österreichs Rechtsordnung verstärkt kommuniziert, "Phänomene wie Zwangsehen oder Hasspredigten" - "einschließlich der Mittel des Strafrechts" - verfolgt und Gleichberechtigung "in allen gesellschaftlichen Schichten vermittelt werden". Aus Gründen der "Vorbildwirkung" soll die "Aufnahme von Mitarbeiter/-innen mit spezifisch sprachlichem und kulturellem Hintergrundwissen in die öffentliche Verwaltung, insbesondere in Polizei und Justiz" forciert werden. (nim/DER STANDARD, Printausgabe, 20.1.2010)

GESUNDHEIT/SOZIALES

Migranten sollen Migranten heilen

Migranten üben überdurchschnittlich oft körperlich belastende Tätigkeiten aus und haben daher in höherem Alter oft einen schlechteren Gesundheitszustand - sie nehmen auch Vorsorgeuntersuchungen seltener in Anspruch. Dies hängt damit zusammen, dass sie über das österreichische Gesundheitssystem zu wenig wissen.

Im NAP I. wird daher versprochen, interkulturelle Kompetenz in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sowie im Spitalsmanagement zu fördern, das Personal entsprechend zu schulen und die Gesundheitsprävention zielgruppenadäquat auszubauen. Dazu sollen mehr Migranten für Gesundheits- und Sozialberufe gewonnen und ausgebildet werden.

Allerdings wird darauf hingewiesen, dass "die sichere Feststellung der Identität von Personen, die Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch nehmen" eine Grundvoraussetzung für richtige Behandlung und Prävention ist.

Eine besonders wichtige Zielgruppe sind Frauen mit Migrationshintergrund. Es sollen gezielte Verbesserungen von Informations- und Beratungsangeboten, insbesondere in den Bereichen psychosoziale Beratung, Sexualaufklärung, Kinder- und Frauengesundheit geboten werden. (cs/DER STANDARD, Printausgabe, 20.1.2010)

WOHNEN

Sozialer Wohnbau und soziale Vereine

Zuzug findet vor allem in Städten statt - mehr als die Hälfte der Migranten landet hier, und zwar in häufig überteuerten Wohnungen, die noch dazu oft in abgegrenzten Ghettos liegen. Oft sind sie selbst interessiert, auf möglichst engem Raum "effizient" zu leben, um Geld für Wohnraumschaffung im Herkunftsland zu sparen, was als "einem zielgerichteten Integrationsprozess nicht zuträglich" erachtet wird.

Gegen die Segregation in den Städten werden "geeignete Maßnahmen" angedacht, aber diese beschränken sich auf den Hinweis, dass die Stadtplanung "Stadtteile mit hohem Segregationspotenzial gezielt aufwerten" soll. Immerhin wird an die Verantwortung des sozialen Wohnbaus appelliert. Zudem sollen Beschwerdemöglichkeiten gegen Diskriminierung und Mediationsangebote geschaffen werden.

Österreichs vitale Vereinskultur biete ein großes Integrationspotenzial, heißt es im NAP I., dann wird es widersprüchlich: Einerseits sollen "zielgruppenspezifische interkulturelle Freizeit- und Sportangebote für Mädchen und Frauen" entwickelt werden, andererseits aber: "Auf bestimmte Migrant/innengruppen konzentrierte Vereine sollen für alle Bevölkerungsgruppen offenstehen." (cs/DER STANDARD, Printausgabe, 20.1.2010)