Die Besetzung des Audimax löste eine breite Diskussion über Bildungs- und Universitätspolitik in Österreich aus.

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Freier und barrierefreier Hochschul­zugang, Demokratisierung der Uni­versitätsorganisation, Bildung für eine mündige Gesellschaft an Stelle einer der Marktverwertbarkeit angepassten Ausbildung und die Abschaffung der prekären Dienstverhältnisse. Das sind einige der zentralen Forderungen der Studierendenbewegung, die nun end­lich wieder offen legt, was die Techno­kraten der Bildungspolitik in den letz­ten Jahren mit ihrem Geschwätz um Wissensbilanzen, Weltklasseunis und Wissensgesellschaften zudeckten: die grundlegenden bildungspolitischen Themen.

„Uni brennt!“ steht damit für eine Bewegung, die aus dem neolibe­ralen Zeitgeist aussteigt. Sie tut dies nicht nur inhaltlich durch ihre Forderungen. Auch mit der Form ihrer Organisation bildet sie Gegen­kultur. Besetzungskalender, Volx­küche, Arbeitsgruppen, alternativer Vorlesungsbetrieb und eine Vielzahl von Plena, in denen über Bildung und Universitäten diskutiert wird. Wo den Studierenden doch heute eingetrichtert wird, dass es primär darum gehe, mög­lichst schnell zu studieren und daneben auch noch möglichst viele marktre­levante Praktika zu absolvieren, um ständig an einem Lebenslauf zu ba­steln, der nur noch dazu dienen soll die eigene Ich-AG zu vermarkten und andere MitkonkurrentInnen auszuste­chen, nehmen sie sich die Zeit um zu diskutieren, demokratische Willens­bildungsprozesse in Gang zu bringen, alternative Veranstaltungen und De­monstrationen zu organisieren, Forde­rungen zu formulieren und solidarisch für ihre Anliegen Öffentlichkeit zu ge­winnen.

„Uni brennt!“ steht damit auch für eine Verweigerung gegenüber einem Effi­zienzdenken, das alles und alle einer brutalen und irrationalen Marktlogik unterwirft, einer Logik, die im Wahn­sinn der Finanzkrise und im noch grö­ßeren Wahnsinn der Bankenrettungs­programme mündete, die letztlich mit Steuergeldern dafür sorgten, dass nunmehr in der Wall Street wieder die Sektkorken knallen, während die ärmsten Länder dieser Welt, die am wenigsten mit all dem zu tun hatten, ei­nen Todeskampf gegen die wirtschaft­lichen Folgen der Krise führen. Mit „Uni brennt!“ erteilen die Studie­renden – anknüpfend an ihre Lebens­realität, also das Studium und die Uni­versitäten – dieser neoliberalen Logik eine deutliche Absage.

Wenn sie Bil­dung statt Ausbildung und ein freies und selbstbestimmtes Studium fordern, dann weisen sie damit nämlich die vorherrschende Idee zurück, wonach die primäre Aufgabe einer Universi­tät darin bestünde, im Rhythmus der Marktentwicklungen ein den jeweils aktuellen Marktbedürfnissen entspre­chendes Arbeitsheer auszuspeien. Gerade in den Rechtswissenschaften hat diese Vorstellung in den letzten Jahren mehr und mehr Fuß gefasst und deshalb ist es so wichtig, dass auch hier Studierende Gegenkonzepte entwerfen. Die he­gemonialen Gebote der Stunde an den Rechtsfakultäten sind der Praxisbezug und die Internationalität. Gegen beides wäre per se nichts einzuwenden, stün­den die Begriffe nicht typischerweise für ein ganz bestimmtes Verständnis von „Praxis“ und „Internationalität“.

Regelmäßig beziehen sich ja jene, die von der JuristInnenausbildung „Pra­xisbezug“ fordern, auf einen ganz bestimmten Ausschnitt der Lebenspraxis, nämlich auf die Praxis jener wenigen, die Gesellschaften gründen und fusionieren, Stiftungen errichten und Gelder „steuergünstig“ anlegen, Verfahren der Handelsschiedsgerichts­barkeit anstrengen oder ihre Immateri­algüterrechte sichern. Aufgabe der Uni solle es sein, die JuristInnen für diese Aufgaben fit zu machen. Wenn wir hin­gegen nicht nur Ausbildung sondern Bildung einfordern, dann müsste es beim Praxisbezug darum gehen, Theo­rie mit den brennenden Problemen der gegenwärtigen Gesellschaft zu kop­peln. Das würde etwa bedeuten, Recht und Rechtssysteme auch aus den Au­gen derjenigen zu sehen, die sich um Notstands- und Sozialhilfen oder um Aufenthaltstitel bemühen müssen. Di­ese Themenkreise stehen aber für Hun­gerlöhne und sind in jedem Fall weni­ger sexy als Mergers and Acquisitions oder Commercial Arbitration. Ähnlich einseitig ist oftmals das Ver­ständnis der Internationalität. Die Be­seitigung von Diskriminierungen ge­genüber ausländischen Studierenden aus Nicht-EU-Staaten wird offenbar nicht darunter subsumiert.

Im Fahrwasser eines neoliberalen Bildungsverständ­nisses produziert der Anspruch auf Internationalität eher Eroberungs- und Beherrschungsfantasien. Englisch – so wichtig die Sprache natürlich ist – wird unreflektiert als neutrale und universelle Rechtssprache betrach­tet. Europa und die USA sind für die Mehrheit unhinterfragte und einzige Referenzpunkte für postgraduale Aus­bildungen. Länder der Peripherie die­nen dem Mainstream bestenfalls als Studienobjekt für neokoloniale Ideen „juristischer Entwicklungshilfe“ und für mögliche Kapitalinvestitionen, die dann am besten einer vom Zen­trum reformierten Rechtsordnung und dominierten Jurisdiktion unterliegen sollen. Wenn wir aber gemeinsam mit der Studierendenbewegung Bildung statt Ausbildung und Gleichberechti­gung fordern, dann bedeutet Interna­tionalität den aktiven Einbezug aller ausländischen Studierenden sowie den Versuch eurozentristische Weltbilder zu überwinden und die Perspektive der Peripherieländer verstehen zu lernen.

Das derzeitige Verständnis von Pra­xisbezug und Internationalität wirkt zusammen mit anderen Charakteristika der Rechtswissenschaften wie sie der­zeit praktiziert werden systemstabilisie­rend. Das ist beunruhigend für all jene, denen die derzeitige Gesellschafts- und Weltordnung Unbehagen bereitet. Dieses Unbehagen sollte in Aktion um­gewandelt werden, in einen Ausbruch, eine Gegenidee, eine Gegenkultur. Die Zeitschrift juridikum will genau dafür Forum sein. Und daher unsere volle Solidarität für die AudimaxistInnen und „Uni brennt!“(20.1.2009)