Freier und barrierefreier Hochschulzugang, Demokratisierung der Universitätsorganisation, Bildung für eine mündige Gesellschaft an Stelle einer der Marktverwertbarkeit angepassten Ausbildung und die Abschaffung der prekären Dienstverhältnisse. Das sind einige der zentralen Forderungen der Studierendenbewegung, die nun endlich wieder offen legt, was die Technokraten der Bildungspolitik in den letzten Jahren mit ihrem Geschwätz um Wissensbilanzen, Weltklasseunis und Wissensgesellschaften zudeckten: die grundlegenden bildungspolitischen Themen.
„Uni brennt!“ steht damit für eine Bewegung, die aus dem neoliberalen Zeitgeist aussteigt. Sie tut dies nicht nur inhaltlich durch ihre Forderungen. Auch mit der Form ihrer Organisation bildet sie Gegenkultur. Besetzungskalender, Volxküche, Arbeitsgruppen, alternativer Vorlesungsbetrieb und eine Vielzahl von Plena, in denen über Bildung und Universitäten diskutiert wird. Wo den Studierenden doch heute eingetrichtert wird, dass es primär darum gehe, möglichst schnell zu studieren und daneben auch noch möglichst viele marktrelevante Praktika zu absolvieren, um ständig an einem Lebenslauf zu basteln, der nur noch dazu dienen soll die eigene Ich-AG zu vermarkten und andere MitkonkurrentInnen auszustechen, nehmen sie sich die Zeit um zu diskutieren, demokratische Willensbildungsprozesse in Gang zu bringen, alternative Veranstaltungen und Demonstrationen zu organisieren, Forderungen zu formulieren und solidarisch für ihre Anliegen Öffentlichkeit zu gewinnen.
„Uni brennt!“ steht damit auch für eine Verweigerung gegenüber einem Effizienzdenken, das alles und alle einer brutalen und irrationalen Marktlogik unterwirft, einer Logik, die im Wahnsinn der Finanzkrise und im noch größeren Wahnsinn der Bankenrettungsprogramme mündete, die letztlich mit Steuergeldern dafür sorgten, dass nunmehr in der Wall Street wieder die Sektkorken knallen, während die ärmsten Länder dieser Welt, die am wenigsten mit all dem zu tun hatten, einen Todeskampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Krise führen. Mit „Uni brennt!“ erteilen die Studierenden – anknüpfend an ihre Lebensrealität, also das Studium und die Universitäten – dieser neoliberalen Logik eine deutliche Absage.
Wenn sie Bildung statt Ausbildung und ein freies und selbstbestimmtes Studium fordern, dann weisen sie damit nämlich die vorherrschende Idee zurück, wonach die primäre Aufgabe einer Universität darin bestünde, im Rhythmus der Marktentwicklungen ein den jeweils aktuellen Marktbedürfnissen entsprechendes Arbeitsheer auszuspeien. Gerade in den Rechtswissenschaften hat diese Vorstellung in den letzten Jahren mehr und mehr Fuß gefasst und deshalb ist es so wichtig, dass auch hier Studierende Gegenkonzepte entwerfen. Die hegemonialen Gebote der Stunde an den Rechtsfakultäten sind der Praxisbezug und die Internationalität. Gegen beides wäre per se nichts einzuwenden, stünden die Begriffe nicht typischerweise für ein ganz bestimmtes Verständnis von „Praxis“ und „Internationalität“.
Regelmäßig beziehen sich ja jene, die von der JuristInnenausbildung „Praxisbezug“ fordern, auf einen ganz bestimmten Ausschnitt der Lebenspraxis, nämlich auf die Praxis jener wenigen, die Gesellschaften gründen und fusionieren, Stiftungen errichten und Gelder „steuergünstig“ anlegen, Verfahren der Handelsschiedsgerichtsbarkeit anstrengen oder ihre Immaterialgüterrechte sichern. Aufgabe der Uni solle es sein, die JuristInnen für diese Aufgaben fit zu machen. Wenn wir hingegen nicht nur Ausbildung sondern Bildung einfordern, dann müsste es beim Praxisbezug darum gehen, Theorie mit den brennenden Problemen der gegenwärtigen Gesellschaft zu koppeln. Das würde etwa bedeuten, Recht und Rechtssysteme auch aus den Augen derjenigen zu sehen, die sich um Notstands- und Sozialhilfen oder um Aufenthaltstitel bemühen müssen. Diese Themenkreise stehen aber für Hungerlöhne und sind in jedem Fall weniger sexy als Mergers and Acquisitions oder Commercial Arbitration. Ähnlich einseitig ist oftmals das Verständnis der Internationalität. Die Beseitigung von Diskriminierungen gegenüber ausländischen Studierenden aus Nicht-EU-Staaten wird offenbar nicht darunter subsumiert.
Im Fahrwasser eines neoliberalen Bildungsverständnisses produziert der Anspruch auf Internationalität eher Eroberungs- und Beherrschungsfantasien. Englisch – so wichtig die Sprache natürlich ist – wird unreflektiert als neutrale und universelle Rechtssprache betrachtet. Europa und die USA sind für die Mehrheit unhinterfragte und einzige Referenzpunkte für postgraduale Ausbildungen. Länder der Peripherie dienen dem Mainstream bestenfalls als Studienobjekt für neokoloniale Ideen „juristischer Entwicklungshilfe“ und für mögliche Kapitalinvestitionen, die dann am besten einer vom Zentrum reformierten Rechtsordnung und dominierten Jurisdiktion unterliegen sollen. Wenn wir aber gemeinsam mit der Studierendenbewegung Bildung statt Ausbildung und Gleichberechtigung fordern, dann bedeutet Internationalität den aktiven Einbezug aller ausländischen Studierenden sowie den Versuch eurozentristische Weltbilder zu überwinden und die Perspektive der Peripherieländer verstehen zu lernen.
Das derzeitige Verständnis von Praxisbezug und Internationalität wirkt zusammen mit anderen Charakteristika der Rechtswissenschaften wie sie derzeit praktiziert werden systemstabilisierend. Das ist beunruhigend für all jene, denen die derzeitige Gesellschafts- und Weltordnung Unbehagen bereitet. Dieses Unbehagen sollte in Aktion umgewandelt werden, in einen Ausbruch, eine Gegenidee, eine Gegenkultur. Die Zeitschrift juridikum will genau dafür Forum sein. Und daher unsere volle Solidarität für die AudimaxistInnen und „Uni brennt!“(20.1.2009)