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Wo endet Religion, wo beginnt Extremismus? In dieser Szene aus dem Jahr 2004 beschuldigt ein britischer Muslim England und die USA, die Muslime zu verfolgen wie einst Hitler die Juden.

Foto: AP /Peter J Jordan

Man habe "eine Reihe von Netzwerken und Organisationen ausgemacht, die vor allem junge Menschen rekrutieren, die sich im gesellschaftlichen Abseits fühlen", gab die schwedische Integrationsministerin Nyamko Sabuni dieser Tage bekannt. Ein Ausstieg werde aber häufig durch Furcht vor Repressalien erschwert.

Schweden hat bereits Erfahrung mit der Hilfe für Aussteiger aus der Neonazi-Szene. Nun soll zunächst der Umfang des Hilfebedarfs in islamistischen Milieus ermittelt werden. Die Geheimpolizei Säpo erhebt detailliert die Verbreitung von Islamismus im Land.

Dass Handlungsbedarf besteht, hatte Anfang Jänner der Attentatsversuch auf den Mohammed-Karikaturisten Kurt Westergaard im benachbarten Dänemark erneut deutlich gemacht. Der mutmaßliche Attentäter hatte im letzten Jahr auch in Schweden um Sympathien und Geld für die militanten islamistischen Al-Shabaab-Milizen in Somalia geworben. Nach Angaben der Geheimpolizei und des Somalischen Verbandes in Schweden sieht Al-Shabaab junge Schweden-Somalier ebenso wie junge Dänen mit somalischem Hintergrund als potenzielle Rekruten. An die 20 Schweden-Somalier haben laut Säpo bisher an Kämpfen in Somalia teilgenommen; als besonders erfolgreiche Aufzuchtstätte für Jung-Extremisten wurde im Vorjahr ein Freizeitheim im Stockholmer Einwanderervorort Rinkeby ausgemacht.

Anlass zur Sorge gibt jedoch nicht nur die Aktivität junger schwedischer Extremisten im Ausland, sondern die grundsätzlich gewachsene islamistische Radikalisierung in den Immigrantenghettos am Rande schwedischer Großstädte. So verzeichnete die seit 70 Jahren alljährlich ausgetragene landesweite Konferenz "Volk und Verteidigung" zu Sicherheitsfragen heuer eine Premiere: Diese Woche diskutierten die teilnehmenden Organisationen erstmals die mangelnde Sicherheit innerhalb Schwedens.

Hochrisikogebiete

Die Tatsache, dass bestimmte Immigrantenviertel mittlerweile als Hochrisikogebiet für Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte gelten, wurde ebenso thematisiert wie die wachsende Furcht vieler Immigranten vor Islamisten und deren Versuchen, Andersdenkende mundtot zu machen. Politiker in Schweden hätten "jahrzehntelang den Fehler begangen", vom Islamismus ausgehende Gefahren zu verschweigen, so nun Integrationsministerin Sabuni, die selbst seit ihrem Amtsantritt 2006 konsequent gegen Islamismus Stellung bezieht. Die Unterdrückung Einzelner durch Islamisten anzusprechen sei in Schweden nach wie vor "politisch höchst inkorrekt". (Anne Rentzsch aus Stockholm/DER STANDARD, Printausgabe, 21.1.2010)