Wien - Zu Unrecht scheint der Islam im öffentlichen Diskurs unmittelbar mit Gewalt und Terrorismus verbunden. Gefährdend für die demokratische Kultur einer Gesellschaft ist hingegen politisch motivierter Islamismus als Ideologie. Wenn nun islamistische Gruppen ihre Anhänger radikalisieren und zu extremen Ideologien bekehren wollen, sind Angebote für den Ausstieg aus der Szene überschaubar.

In Deutschland bietet die private Initiative Exit Hilfe und Beratung für diejenigen an, die dem Extremismus den Rücken kehren wollen. Zu ihnen kommen in erster Linie Muslime, die mit radikalen oder allzu politischen Tendenzen in ihrer Gemeinde unzufrieden sind. In der zweiten Gruppe befinden sich Familienangehörige, die befürchten, ihre Kinder ließen sich von Hasspredigern blenden und könnten einen extremistischen Weg einschlagen.
Deradikalisierung

"Wir versuchen in Gesprächen Betroffene von der Politisierungsschiene runterzuholen und Alternativen aufzuzeigen, bevor sie sich Terrornetzwerken anschließen", so der Gründer von Exit, Bernd Wagner zum STANDARD. Ein geglückter Ausstieg bedeutet für Exit kritische Reflexion, Aufarbeitung und ein erfolgreiches Infragestellen der bisherigen Ideologie. Der Sprung aus der bekannten Struktur ist für Aussteiger aus der Szene oft dramatisch und nicht selten gefährlich, auch für die Angehörigen. Der Ehrenkodex spielt bei Islamisten eine große Rolle.

Vorbild für Aussteigerprojekte ist auch Großbritannien. Die Regierung investierte bereits Millionen Euro in Programme, die extremistischen Muslimen den Weg zurück in die Normalität erleichtern. Die britische Quilliam Foundation wurde von ehemaligen Anführern radikal-islamischer Organisationen gegründet, die sich nun gegen Radikalisierung engagieren. (Julia Herrnböck/DER STANDARD, Printausgabe, 21.1.2010)