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Port-au-Prince nach der Katastrophe: Kommt die Hilfe auch dort an, wo sie am dringendsten gebraucht wird?

Foto: AP/Patrick Farrell

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Ruth Picker: Rechnungsmodelle greifen zu kurz

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Vor kurzem wurde in einem Bericht des Standard(18. 1.) die mangelnde Effizienz von Spenden und Entwicklungshilfe beklagt. Eines stimmt: Es gibt zu wenig Hilfe für die ärmsten Länder, und die Wirksamkeit einiger Aktivitäten, die als Entwicklungshilfe vermarktet werden, gehört kritisch überprüft. Damit beschäftigen sich sowohl Nichtregierungsorganisationen (NRO) als auch Regierungen bereits seit Jahren ("Pariser Erklärung" zur Erhöhung der Wirksamkeit), und das Thema ist den Kinderschuhen längst entwachsen. Systematisches Projektzyklusmanagement und Wirkungsbeobachtung sind nicht neu für NRO, sondern Teil der professionellen Arbeit. Die Auseinandersetzung mit der Wirksamkeit von Interventionen zeigt aber auch, dass eine simple Kosten-Nutzen-Rechnung fast immer zu kurz greift: Entwicklung und sozialer Fortschritt lassen sich selten mit einfachen Rechenmodellen erfassen.

Entwicklungspolitik ist zudem mehr als Entwicklungshilfe: Es geht um Gerechtigkeit in allen relevanten Politikbereichen. Durch Steuerflucht fließt z. B. jedes Jahr aus dem Süden rund sechsmal so viel Geld ab, als der Norden großzügig "durch Hilfe" beiträgt. Ähnlich verhält es sich mit Agrarexportsubventionen: Die EU vergibt mit der einen Hand Entwicklungshilfe und entzieht mit der anderen Hand KleinbäuerInnen die Lebensgrundlage durch den Export europäischer Dumping-Produkte.

Hilfsorganisationen sind ihren SpenderInnen gegenüber zu sparsamem und wirkungsvollem Mitteleinsatz verpflichtet. Nur ein Bruchteil dessen, was NROs an Entwicklungshilfe leisten, wird durch staatliches Geld ("ODA"/ staatliche Entwicklungshilfe) finanziert. Ein Vielfaches wird erst durch private Spenden ermöglicht: Die ÖsterreicherInnen verdoppeln in etwa das Budget, das der Staat über die staatliche Entwicklungsagentur ADA (Austrian Development Agency) bereitstellt. Die wichtige Unterscheidung zwischen "staatlicher Entwicklungshilfe", "Entwicklungshilfe" und "privaten Spenden" fehlt leider im Artikel (und führt zur falschen Aussage, dass nur fünf Prozent der Entwicklungshilfe international eingesetzt würde).

Das staatliche Budget hinkt übrigens seit Jahren den internationalen Zusagen hinterher: Österreich verletzt seine Verpflichtungen systematisch, egal ob Hochkonjunktur oder Wirtschaftskrise, weil Entwicklungspolitik politisch zu wenig relevant erscheint. Statt also heuer die zugesagten 0,51 Prozent des BNE für Armutsminderung, Bildung, Gesundheit und gleiche Chancen für Frauen und Mädchen beizutragen, steuert Österreich auf ignorante 0,37 Prozent zu und trägt verantwortungslos wenig zu einer gerechten und damit friedlichen Welt bei.

Das Problem mangelnder Effizienz liegt daher bei den Regierungen, die auch Förderungen des eigenen Außenhandels, Militäreinsätze und Asylbetreuung als Entwicklungshilfe anrechnen sowie Finanzierungszusagen nicht einhalten. Dadurch wird die Planung von langfristigen Hilfsprogrammen erschwert, die es den betroffenen Menschen ermöglichen, nachhaltig ihre Lebensbedingungen zu verbessern und demokratische und stabile Gesellschaften aufzubauen. Der Fall Haiti zeigt, was passiert, wenn eine Naturkatastrophe einen instabilen Staat trifft. Die (zynisch anmutende) Chance für Haiti besteht vielleicht darin, dass eine beinahe "vergessene Krise" ins Bewusstsein gerückt wird – und damit die nötige langfristige Unterstützung mobilisiert wird. Ein dauerhafter Aufbau muss allerdings von der lokalen Zivilgesellschaft mitgetragen werden – dies unterstützen NROs durch ihre Arbeit. Haiti zeigt aber auch die Notwendigkeit, einen effizienten und ausreichend dotierten Mechanismus für humanitäre Soforthilfe zu haben. Dieser fehlt in Österreich weitgehend.

Gerade weil private Spenden auf persönlichen Präferenzen beruhen, braucht wirksame Entwicklungspolitik (zusätzlich zu einer insgesamt durchdachten Politik und zur Spendenabsetzbarkeit) staatliches Geld, das uneigennützig in entwicklungsrelevante Zwecke investiert wird. Gerade in Regionen, die von der Weltöffentlichkeit übersehen werden.(Ruth Picker, DER STANDARD Printausgabe 21.1.2010)