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Das meistbesprochene Gadget rund um die CES, die alljährliche Gadgetshow in Las Vegas, war eines, von dem jede Spur fehlte und das es bis heute nicht gibt: Apples Tablet alias iSlate, iPad, iRgendwas.

Amtlich

In gewohnter Virtuosität hat Apple einmal mehr auf der Gerüchteklaviatur gespielt: Ersten Spekulationen in Blogs folgten Berichte in obskuren taiwanischen Industriezeitungen über Teile-Bestellungen sowie "zufällig entdeckte" Apple-Patentanträge, die zu Rätseln über neue Wunderfunktionen führen. Am Ende der Kette steht die quasi amtliche Mitteilung im Wall Street Journal, Steve Jobs Leibblatt.

Das WSJ berichtete u. a. korrekt im Voraus über den Wechsel zu Intel-Prozessoren und andere wichtige Apple-Schritte. Diesmal teilte es Anfang Jänner mit, dass es Ende Jänner eine offizielle Bekanntgabe geben werde (die Einladung dazu folgte prompt Anfang dieser Woche) und dass im März ein Tablet-Gerät auf den Markt kommen werde: 10,5-Zoll-Multitouch-Display, keine physische Tastatur, wahrscheinlich zwei Farben.

"Seine Steveheit"

Es ist darum eine relativ sichere Wette, dass uns nächste Woche "Seine Steveheit" einen überdimensionalen iPod Touch vorstellen wird. Ein paar Details sind noch offen, etwa ob es vorn eine Kamera für Skype-Videocalls gibt, ob das Gerät einen Mobilfunkteil enthält, wie lange der Akku durchhält, vor allem aber: Wie teuer Apples Tablet sein wird. 1000 Dollar, gleichfalls vom WSJ kolportiert, könnte ein erhebliches Verkaufshindernis sein; der Guardian berichtete zuletzt von Verhandlungen mit Mobilfunkern über Subventionen, was indirekt den hohen Preis bestätigt und einen Mobilfunkteil vermuten lässt. Übrigens kam das iPhone um 600 Dollar auf den Markt, schon wenige Wochen später senkte Apple den Preis um ein Drittel. Nur noch sechsmal schlafen, dann wissen wir's.

Die eigentliche Gretchenfrage ist jedoch nicht die Hardware, sondern der Platz eines Tablets in der Ordnung der digitalen Welt. Ist es "nur" eine Art Internetmagazin, in erster Linie zum Lesen und Anschauen von Onlinemedien, für neue multimediale Zeitungen und Magazine, und ein Vehikel für soziale Netze und E-Mail und somit für viele ein Notebook-Ersatz? Ein weiteres Gerät zwischen Smartphone, E-Reader, superflachen Notebooks und dem Desktop?

Tom Cruise in Minority Report

Als Jeff Han 2006 erstmals sein Multitouch-Interface vorstellte, das zuvor schon ein Millionenpublikum von Tom Cruise in Minority Report vorgeführt bekam, dachte der Forscher an ein neues User-Interface für PCs. Jobs sah darin die Bedieneroberfläche für sein iPhone (2007) - und erst jetzt die Zeit gekommen, die Multitouch-Bedienung für größere Aufgaben zu verwenden.

Ob dies gelingt, wird die eigentliche Überraschung sein. 2001 präsentierte der Anti-Jobs Bill Gates den ersten Tablet-PC und prophezeite, dass in fünf Jahren alle Welt nur noch Tablets benutzen werde. Neun Jahre später haben die teuren Geräte einen Marktanteil von einem Prozent. Und Gates-Nachfolger Steve Ballmer präsentierte bei der CES einen neuen Tablet für das touchbefähigte Windows 7. Aber kaum jemand nahm davon Notiz - und alle sprachen von Apple. (helmut.spudich@derStandard.at, DER STANDARD Printausgabe, 21. Jänner 2010)