Wien - Homosexuelle UnternehmerInnen als WählerInnenreservoir beim anstehenden Urnengang der Wirtschaftskammer: Diese Perspektive hat am Mittwochabend Vertreter der größten wahlwerbenden Gruppierungen ins Wiener Hotel Meridien gelockt, wohin die schwule Managervereinigung Agpro geladen hatte. Einig zeigten sich die vier Delegierten von Wirtschaftsbund, Wirtschaftsverband, Grüner Wirtschaft und Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender darin, dass die Kammer eine Anti-Homophobie-Kampagne auflegen sollte.
Ansonsten offenbarten sich am Podium durchaus unterschiedliche Konzepte, wie mit der WählerInnengruppe von 20.000 bis 40.000 in der Kammer organisierten lesbischen oder schwulen UnternehmerInnen umzugehen sei. Die große Bruchlinie stellte dabei die Frage dar, ob man die Vernetzung der lesBiSchwulen Unternehmer fördern sollte, oder hingegen alle Kammermitglieder gleich ansprechen sollte.
SPÖ-Wirtschaftsverbandschef Christoph Matznetter untermauerte, wie wichtig es für homosexuelle Wirtschaftstreibende sei, sich zu vernetzen - schließlich seien Netzwerke im Wirtschaftsleben extrem produktiv. Allerdings könnten diese nicht von oben geregelt werden, obgleich man diese nach Kräften unterstütze. Schließlich gehe es der lesBiSchwulen Gemeinschaft wie vielen anderen Minoritäten, die im Wirtschaftsleben Diskriminierungen ausgesetzt seien. Dies beginne bei Problemen mit der/m BankberaterIn, reiche über Schwierigkeiten in Geschäftsbeziehungen bis hin zur Reaktion, wenn man mit de/m gleichgeschlechtlichen PartnerIn auf einem Ball erscheine. Aber immerhin sei man heute in der Kammer deutlich weiter als vor zehn Jahren.
Bezüglich Netzwerken die gegenteilige Meinung vertrat Manuel Bräuhofer von der Grünen Wirtschaft: Man müsse die Wirtschaftspartner nach der Leistung aussuchen, nicht nach der sexuellen Orientierung. Es interessiere ihn nicht, was jemand in seinem Schlafzimmer mache. "Dass man aufgrund der sexuellen Orientierung einen Nachteil hat im Geschäftsleben - so sehe ich das nicht", unterstrich Bräuhofer, der selbst geoutet ist. Es sei wichtig, jeden als Mensch zu sehen und nicht ständig in einzelne Gruppen zu ghettoisieren: "Ich gehe nicht zu einem schwulen Arzt, nicht zu einem schwulen Bäcker, nicht zu einem schwulen Fleischer - weil ich das alles nicht brauche."
"Natürlich sind Sie eine umworbene Gruppe", konstatierte Paulus Stuller vom Wirtschaftsbund dem Plenum. Und hierbei sei gerade die Wiener Landeskammer ein Vorzeigebeispiel, etwa mit dem eigenen Diversity-Referat oder dem Meritus als Preis für homosexuelle UnternehmerInnen: "Wir sind für eine offene Gesellschaft." Und diese Vielfalt schätze man gerade auch bei den eigenen Mitgliedern. "Seit Präsidentin (Brigitte, Anm.) Jank in Wien verantwortlich ist, hat sich vieles massiv geändert", so Stuller. Die Wirtschaft sei von sich aus offener als die Gesamtgesellschaft.
Kabarettqualitäten offenbarte Karl Ramharter als Vertreter des Rings Freiheitlicher Wirtschaftstreibender, der heuer nach Meinungsverschiedenheiten nicht mehr von der FPÖ unterstützt wird: "Ich bin freiheitlicher Wirtschaftstreibender, aber ein sehr liberaler Mensch." Alle Kammermitglieder müssten die gleichen Rechte und Pflichten haben, was auch für die Gesellschaft im Allgemeinen gelte: "Adoptieren Sie Kinder - Sie sind nicht die schlechtesten Eltern." Er nehme jedenfalls einige Impulse aus der Diskussion mit, auch wenn er nicht prognostizieren könne, was sich in der kommenden Amtsperiode für Homosexuelle in der Kammer verbessern werde: "Was die nächsten fünf Jahre bringen? Ich weiß nicht einmal, was die nächste Woche bringt." (APA)