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Diese Woche auf dem Flughafen in Pella, US-Bundesstaat Iowa: Eine Frau schließt ihre haitianische Adoptivtocher in die Arme.

Foto: EPA/STEVE POPE

Port-au-Prince/Puebla - "Haiti hat eine ganze Generation verloren" , sagt der Spanier José Miguel de Haro von der NGO "Acoger y Compartir" , deren Schule beim Beben einstürzte und mehr als 300 Kinder und Lehrer unter sich begrub. Rund die Hälfte der Toten und Verletzten des schweren Bebens sind nach Schätzungen minderjährig. Tausende Kinder haben keine Familie und kein Zuhause mehr. Viele sind laut Kinderhilfswerk Unicef traumatisiert, irrten verlassen auf den Straßen herum. "Wir haben Gewalt und sexuelle Übergriffe gegen Kinder festgestellt" , sagte eine Unicef-Sprecherin.

Die Organisation "Save the Children" zeigte sich besorgt über die Seuchengefahr. Die Minderjährigen seien oft nicht geimpft und besonders anfällig für Krankheiten. Spezialisierte Hilfsorganisationen richteten deshalb Notunterkünfte nur für Kinder ein, wo Unterricht improvisiert wird, es Spielzeug und psychologische Betreuung gibt. Hilfspersonal versucht, Angehörige aufzuspüren. In vielen Fällen wird dies nicht gelingen.

"Schon vor dem Beben lebten 400.000 Waisenkinder auf Haiti in Heimen und 2000 allein in Port-au-Prince auf der Straße" , sagte die Argentinierin Karina Klink, die selbst vor kurzem einen haiti-anischen Buben adoptiert hat, dem Nachrichtenservice Infobae. Durch Aids, familiäre Zerrüttung, Gewalt und Armut stand Haiti schon lange im Fokus der Kinderschutzorganisationen und war eines der wichtigsten Länder für Adoptionen. Nur die Hälfte der Minderjährigen ging zur Schule, ein Drittel war unterernährt.

1300 Adoptionen im Jahr

Rund 1300 haitianische Kinder werden jährlich an ausländische Familien vermittelt. Jetzt könnten es noch viel mehr werden: Frankreich, die Niederlande und die USA kündigten an, die Formalitäten hierfür zu erleichtern.

In den USA trafen bereits 54 Waisen ein, für die der Erzbischof von Miami ein Aufnahmerecht erwirkt hat. Laut Janet Napolitano, Ministerin für Sicherheit, handelt es sich vorrangig um Kinder, die bereits für die Adoption freigegeben wurden. Eine niederländische Vermittlungsorganisation hat nach eigenen Angaben 109 Kinder ausgeflogen, die bereits vor dem Beben von Niederländern adoptiert wurden. In Österreich gibt es laut Außenamt bisher keine Anträge bezüglich neuer, rascher abgewickelter Adoptionen.

Hilfsorganisationen forderten ein Moratorium für neue Adoptionen, bis alle möglichen Familienzusammenführungen abgeschlossen seien. "Übereilte neue Adoptionen würden viele Familien auf Dauer auseinanderreißen" , heißt es von "World Vision" und "Save the Children" . "Die Erfahrung hat gezeigt, dass die meisten Kinder überlebende Verwandte haben. Die Anstrengungen müssen dahin gehen, die Familien wieder zusammenzuführen."

Auch Karina Klink warnt: "Eine Adoption ist keine Wohltätigkeitsveranstaltung, und niemals sollte man sich aus Mitleid dazu hinreißen lassen." (Sandra Weiss, DER STANDARD - Printausgabe, 22. Jänner 2010)