Ein ernsthafter Mann macht neue Erfahrungen: Larry Gopnik (Michael Stuhlbarg) mit aufreizender Nachbarin (Amy Landecker)

Foto: Tobis

... und erzählen von einem jüdischen Mann, der Gott anruft, um sein Unglück zu verstehen.

Wien - Das Leben von Larry Gopnik (Michael Stuhlbarg) folgt zwar keinen so berechenbaren Bahnen wie die physikalischen Gesetze, die er Tag für Tag am College auf die Tafel kritzelt. Doch der gemächliche Lauf der Dinge legt immerhin eine gewisse Ordnung nahe, in der die anstehende Bar Mitzwa seines Sohnes Danny (Aaran Wolff) genauso seinen Platz hat wie die näherrückende berufliche Festanstellung. Gopniks Pech liegt anderswo: Ein solch beschauliches Leben, mit Frau, Kindern und Eigenheim, wird im Kino immer erst interessant, wenn es ins Schlingern gerät.

Die Brüder Joel und Ethan Coen sind für die kalte Ironie berüchtigt, mit der sie ihre Figuren in ausweglose Lagen treiben - noch nie haben sie jedoch ihren Helden so sehr zum Zweifler gemacht, so vehement die Glaubensfrage gestellt. Gopnik, man kann es nicht anders sagen, ist ein armer Hund. Seine Frau (Sari Lennick) möchte sich von ihm trennen, weil sie sich in den verwitweten Freund Sy Ableman verliebt hat (wenngleich ohne "woopsie-doopsie"), sein spielsüchtiger Onkel schläft seit Wochen auf der Couch, die Kinder liegen im Dauerstreit, und im College macht ihm ein koreanischer Student zu schaffen.

"A Serious Man" spielt 1967, aber die kulturellen Umwälzungen dieser Zeit haben diesen Ort noch nicht erreicht. Den Coen-Brüdern dient das Datum mehr als biografische Markierung. Sie sind selbst in der uniformen Vorstadt von Minneapolis, Minnesota, aufgewachsen, so liegt es nahe, diesen Film als einen über ihre Herkunft, Identität und Jugend zu verstehen. Nach dem Nonsensritt "Burn After Reading", in dem ein paar Hollywoodstars seltsamen Hobbys frönten, scheint dies auf den ersten Blick auch ein "ernsthafterer" Film - einer, in dem Persönliches auf dem Spiel steht (und nicht das Spiel sich bereits selbst genügt).

Ungewöhnlich ist schon der Prolog, der in ein jüdisches Schtetl führt, in dem ein Pärchen Besuch von einem Alten bekommt. Der Mann besteht darauf, ihm mit Gastfreundschaft zu begegnen, doch die Frau weigert sich. Sie erkennt in ihm einen Dibbuk, einen bösartigen Wiedergänger. Die Situation gerät außer Kontrolle, ein Unglück geschieht, und so ist schon diese Parabel zu Beginn ein Beweis für die absurden Abkürzungen, die das Leben bisweilen nimmt.

Ungelöste Fragen

Religion ist das zentrale Thema in "A Serious Man". Gopnik wendet sich an HaSchem, an den jüdischen Gott, um einen Grund für sein gehäuftes Unglück zu finden. Doch die Rabbis halten nur neue Rätsel bereit - etwa jene merkwürdige Geschichte eines Goi, auf dessen Zähnen man hebräische Buchstaben entdeckte. Die Art und Weise, wie sich Gopnik weigert, gegen sein Schicksal zu rebellieren, hat vor allem in den USA Kritiker aufgebracht. Im New Yorker bezeichnete ihn David Denby als "Schlep" - als Weichei, dem man nicht folgen will, die bösartige Haltung der Coens wäre überall anders als im Kino untolerierbar.

Die Brüder sind freilich die Letzten, die irgendwelche Fragen nach dem Sinn der Existenz beantworten wollen. Es geht ihnen ja genau darum, dem Blick auf die Menschen eine Ambivalenz zu verleihen, die auch mit der Ungnade eines interesselosen Gottes gleichgesetzt werden kann. Die Strenge, mit der sie (mit Kameramann Roger Deakins) ihre Bilder kadrieren, und die Präzision, mit der sie noch den nebensächlichsten Figuren eigenwillige Details zugestehen, spricht jedenfalls dafür, dass es ihnen um eine Form geht, in der alle müßigen Anstrengungen des Menschen in einem hellen, klaren Licht erstrahlen. Womöglich sind es dann gerade die Schwächen - etwa ein Sonnenbrand, der aus einer aufreizenden Beobachtung herrührt -, die all diese Wichte so erbarmungswürdig erscheinen lassen. (Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.1.2010)