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Kürzer, dafür flexibler sollen Voest-Arbeiter künftig arbeiten. Ihr Chef Wolfgang Eder will 500 Mio. Euro sparen.

Foto: APA/Fohringer

Standard: Wie nachhaltig ist aus Ihrer Sicht der aktuelle Konjunkturaufschwung?

Eder: Wir haben nach dem Sommer in einer Reihe von Industrien erstmals die Läger auf Minimalniveau gehabt. Ab September kam mit den Aufträgen der leichte Aufschwung. Das führte im vierten Quartal zur Inbetriebnahme von Kapazitäten. In Europa existieren 55 Hochöfen, von denen im Sommer fast die Hälfte stillgelegen ist. Der überhastete Aufbau von Kapazitäten führte jetzt wieder zu einem Rückgang der Preise um acht Prozent.

Standard: Wie geht es mit der Stahlbranche weiter?

Eder: Langsam kommen Angebot und Nachfrage wieder in Balance. Vom Spotmarkt gibt es deutliche Signale in Richtung Preiserhöhungen in den nächsten Wochen. Für unser Geschäft gehen wir davon aus, dass wir ab dem zweiten Quartal tendenziell steigende Preise haben werden. Die Auslastung der Branche liegt bei rund 75 bis 80 Prozent. Für unsere fünf Divisionen sehen wir einen positiven Trend. Aber wir gehen davon aus, dass wir erst in drei Jahren wieder das Niveau von 2007 erreichen werden.

Standard: Rechnen Sie nach dem Auslaufen diverser Konjunkturstimuli mit einem Einbruch in der Bau- und Autoindustrie, die wichtige Stahlabnehmer sind?

Eder:In der Bauindustrie würde ich nicht widersprechen. Die Autoindustrie ist definitiv in einer anderen Situation. Vor allem bei mittleren und großen Autoklassen kommt es zu Nachzieheffekten. Gerade im Premiumsegment wurde im Vorjahr wenig verkauft. Zudem müssen Flotten, beispielsweise die Vermieter oder die Regierungen, ihren Bestand erneuern. Wir sehen am Auftragseingang, dass die Autoindustrie 2010 mehr produzieren wird. Die Hausgeräteindustrie läuft stabil auf hohem Niveau. Die Luftfahrt bleibt das ganze Jahr unter Druck. Der Maschinenbau wird leichte Verbesserungen ausgehend von tiefem Niveau aufweisen.

Standard: Gleichzeitig wird vor massiven Überkapazitäten gewarnt, wie ist das zu verstehen?

Eder: Die Überkapazitäten werden im wesentlichen bestehen bleiben. Die Kosten wurden massiv gesenkt, sodass die Autohersteller auch bei einer Auslastung von 85 Prozent gut verdienen. Das hat man sich vor zwei Jahren nicht vorstellen können. Auch sind die Läger abgebaut.

Standard: Wie kann die europäische Industrie dem Druck der Schwellenländer standhalten?

Eder: Die Kostenstruktur in Europa ist mindestens gleich gut, wenn nicht besser als in China. China hat hohe Rohstoff- und Energiekosten, auch die Logistik ist nicht einfach. Die Personalkosten spielen im Stahlbereich mit 16 Prozent keine so große Rolle. Außerdem werden qualifizierte Mitarbeiter in China annähernd nach unseren Maßstäben entlohnt. Exportieren nach Europa funktioniert nur unter der Voraussetzung öffentlicher Subventionen. Wir wissen beispielsweise nicht, inwieweit Häfen oder Energie staatlich unterstützt werden. Jedenfalls müssen wir bei Marktverzerrungen Barrieren aufbauen.

Standard: Muss Europa nicht auch Überkapazitäten abbauen?

Eder: Wir müssen schauen, dass wir von 210 auf maximal 180 Millionen Tonnen Stahlproduktion herunterkommen. Das ist eine extrem schwierige Aufgabe, es gibt aber durchaus Ansätze. Etwa das Werk bei Sofia, das offensichtlich definitiv geschlossen wird. Der britische Hersteller Corus will die Flüssigphase in Teesside auflassen. Das Bewusstsein ist also da, dass Standorte, die nicht konkurrenzfähig sind, aus der Produktion genommen werden. Der Prozess wird aber noch bis zu zehn Jahre dauern.

Standard: Wie wird die Voest heuer abschneiden?

Eder: Die Ansage, dass wir heuer (per Ende März) ein positives Ebit im dreistelligen Millionenbereich erzielen, kann ich bestätigen.

Standard: Dennoch planen Sie massive Einschnitte.

Eder: Es wird einen radikalen Umbau, aber keine großflächigen Freisetzungen geben. Wir müssen uns stärker auf den Kernprozess - von der Mine bis zum Band des Kunden - ausrichten. Im ganzen Konzern wollen wir bis 2013 500 Millionen einsparen. Die Effizienzsteigerungen in Linz werden zu einem großen Teil über neue Arbeitszeitmodelle aufgefangen.

Standard: Wie im Rahmen des Solidaritätsprämienmodells. Wie viele Personen könnte es betreffen?

Eder: Überall wo Vollschichtmodelle existieren, ist das möglich. In Linz könnten bis zu 4500 Mitarbeiter in den Genuss dieser Regelung kommen. Auch in Kapfenberg und Donawitz kommen einige Hundert in Frage.

Standard: Apropos Kapfenberg. Wie viele Stellen fallen bei der dortigen Tochter Böhler weg?

Eder: 280. Wir sind aber bemüht, für die meisten Mitarbeiter Lösungen zu finden.(Luise Ungerboeck und Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.1.2010)