Mils/Wien - Die Bedeutung ihrer Tat vom 10. Februar 1998 wurde Brigitte Köck, natürlich von jeher Gitti gerufen, erst viel später bewusst. Schon hatte sich die heute 39-jährige Tirolerin aus Mils bei Hall damals in Nagano über Bronze im Parallel-Riesentorlauf gefreut, über die allererste olympische Medaille für Österreichs Snowboarder. "Aber es war ein Rennen wie jedes andere für mich. Ich bin unvoreingenommen hingefahren. Schon wegen der Streitereien davor."
Gestritten wurde zwischen der Austrian Snowboard Association (ASA), der Köck angehörte, und dem österreichischen Skiverband (ÖSV). Snowboard war in Nagano erstmals olympisch, es ging um Einfluss und die Ausrichtung des Sports zwischen Lebenseinstellung und Professionalisierung. Die unter diesen Umständen geholte Bronzene gewann für Köck dann erst 2002, bei den Spielen in Salt Lake City, an Glanz. "Ich war als Fan in den USA, konnte mich hineinfühlen in die Leute, habe mich mit den Medaillengewinnern irrsinnig mitgefreut, bin mit ihnen praktisch nocheinmal auf dem Podest gestanden." Und sie hat kapiert, was sie geschafft hat in Japan.
Last von den Schultern
Das war auch insofern nicht wenig, als Köck der Sportnation quasi eine Last von den Schultern genommen hatte. Drei medaillenlose Tage hatte Österreich nach Eröffnung der Nagano-Spiele zu ertragen gehabt. Die männlichen Snowboarder, die sich selbst üppig mit Vorschusslorbeer bekränzt hatten, versagten im Riesentorlauf. Die Herren-Abfahrt, in der Hermann Maier dann so spektakulär abfliegen sollte, war mehrmals verschoben worden, Markus Prock nur auf Rang vier gerodelt. Kurz, es herrschte Nervosität, bis Köck die erste von insgesamt 17 Medaillen für Österreich holte. "Als ich dann heimkam, hat mich fast der Schlag getroffen" , sagt Köck. "Weil es unsere erste Medaille war, lachte ich von jeder Titelseite."
Das war natürlich nicht abzusehen, als Köck 1990 mit dem Boarden begann. Den da noch jungen Sport umwehte ein Hauch von Freiheit, die klassische Skifahrt, die sie auch lehrte, war der Maturantin zu langweilig geworden. Köck lernte schnell, weshalb sie heute, da sie im Rahmen des VitalCoach-Programms von Uniqa wirkt, kein Problem damit hat, eine "wirklich gute" Privattrainerin zu empfehlen.
Ab 1994 bestritt Köck Rennen, schon 1995 wurde sie Europameisterin. Insgesamt 45 Podestplätze im Weltcup der ProTour sammelte die Vizeweltmeisterin von 1997 (Parallel-Slalom) bis zu ihrem Karriereende im Jahr 2003. Danach folgten Teilnahmen an vielen Snowboard-Events, folgten Trainerausbildungen.
Für ihren einst als Party-Staffage verschrieenen Sport, der auch durch die Einführung der Carving-Skier und den Vormarsch des Freeskiing einer gewissen Stagnation unterworfen ist, bricht sie jede verfügbare Lanze. Schließlich hat er ihr auch große Teile der Welt gezeigt. Und ziemlich energisch wird Köck, wenn jemand anzudeuten wagt, dass in den alten Zeiten auf dem Snowboard mangels Konkurrenz flott Erfolge wie ihre Medaille zu erreichen gewesen seien. "Ich gönne dem Felix Gottwald oder dem Benjamin Raich jede der vielen Medaillen. Aber sie haben viele Chancen. Ich hatte nur eine. Die habe ich genützt." Der Lohn liegt daheim gleich neben dem Goldenen Verdienstzeichen der Republik.
Köck bewegt sich heute auch abseits ihrer Trainertätigkeit noch auf dem Board. "Sicher flotter als der Durchschnitt" , aber mit einer gewissen Vorsicht, "weil das Training fehlt, das ja vor allem dazu da ist, Grenzen zu verschieben" . Als Aktive hätten sie weder schlechte Pisten noch übles Wetter gebremst. "Jetzt geht mir vor allem das Gefühl für die Geschwindigkeit ab. Das verliert man schnell." Den ihr anhaftenden Ruf, eine "wilde Henne" zu sein, kann die Fallschirmspringerin nicht nachvollziehen. "Ich sehe mich eher als Schisser, aber vielleicht ist meine Risikoschwelle höher als bei anderen."
Zumindest auf dem gleichen Level dürfte diesbezüglich ihr langjähriger Freund Tobias Schiegl unterwegs sein, der mit Cousin Markus und Rennrodel durch Eiskanäle rast. Noch haben die zweimaligen Doppelsitzer-Weltmeister das Ticket für Olympia in Vancouver nicht gelöst. "Ich schon" , sagt Gitti Köck. Sie ist wie schon in Salt Lake City und Turin als Fan in Kanada, vielleicht auch, um erneut im Geiste mit auf dem Podest zu stehen. Idealerweise neben den Schiegls.
Ihren Rodler hat sie übrigens in Nagano kennengelernt. Selbst diesen, quasi olympischen Moment hat Köck damals nicht als solchen empfunden. "Weil zusammengekommen sind wir erst später." (Sigi Lützow, DER STANDARD Printausgabe 22.01.2010)