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Eine Predator-Drohne im Einsatz

Foto: APA/EPA
Graphik: STANDARD

Der rasant wachsende Einsatz von Aufklärungs- und Kampfdrohnen im Feldzug der USA gegen Al-Kaida und die Taliban bringt neue ethische Fragen mit sich.

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Auf dem Bildschirm kannst du alles mitverfolgen. Wenn du schießt ist es, als wärst du wirklich vor Ort", erklärt der US-Air Force Pilot Morgan Andrews. Vor Ort ist er nicht: Sein Arbeitsplatz ist ein Hightech-Container auf einer Airbase in Nevada, sein Einsatzgebiet im weit entfernten Afghanistan.

Von der Creech Air Force Base im US-Bundesstaat Nevada wird ein Großteil der amerikanischen "UAVs" (Unmanned Aerial Vehicle) gesteuert. Der in einer Arte-Dokumentation im Dezember des Vorjahres vorgestellte Andrews ist ein sogenannter ‚Drone Operator', einer von vielen.

Die US Air Force bildet bereits jetzt mehr Piloten für das Steuern von Drohnen aus, als für die klassische Luftfahrt. Mit Hilfe von Satellitenbildern beobachten sie, was am Boden vor sich geht. Auf Knopfdruck können sie die Raketen abfeuern, die an den Drohnen befestigt sind. Die "UAVs" haben nicht nur Video-, Wärmebildkameras, Bomben und Laserraketen, sondern können auch bis zu zwei Tage in der Luft bleiben. Die Steuerung erfolgt dabei tausende Kilometer entfernt via Joystick. So gleicht der Krieg immer mehr einem Videospiel.

Der unbemannte Krieg ist auf dem Vormarsch: Allein in den vergangenen drei Wochen gab es zehn dokumentierte Angriffe der US-Streitkräfte im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet. Bilanz: mindestens 78 Tote und zahlreiche Verletzte. US-Präsident Barack Obama hat in seinem ersten Jahr mehr Drohneneinsätze genehmigt als George W. Bush in seiner gesamten Amtszeit. Er gewährt dem US-Geheimdienst völlig freie Hand.

Für den österreichischen Brigadier Walter Feichtinger ist das keine Überraschung. "Drohnen haben viele Vorteile" , sagt er, "sie liefern detaillierte Aufklärungsergebnisse, sind in ihrer Waffenwirkung präzise, in der Anschaffung günstiger als bisherige Kampfmittel und vor allem: Es werden keine eigenen Leben riskiert" .

Drohnen sind aber auch zu einem Milliardengeschäft geworden, das weiter wächst. Neben EADS oder General Atomics mischt auch ein österreichisches Unternehmen am Weltmarkt mit. Schiebel Electronics, mit Sitz in Wiener Neustadt, hat vor wenigen Monaten einen Deal mit Boeing zur gemeinsamen Herstellung von Aufklärungsdrohnen abgeschlossen.

"Fliegende Roboter nehmen die Belastung von Soldaten und brauchen nur einen Bruchteil des Treibstoffes eines bemannten Flugzeugs" sagt Geschäftsführer Hans Georg Schiebel dem Standard. Er ist sogar der Meinung, der Einsatz von Drohnen hätte die deutsche Bundeswehr vor der Katastrophe in Kunduz bewahrt. Ethische Probleme beim Einsatz bewaffneter Drohnen könne es aber durchaus geben, räumt er ein.

Jane Mayer beschreibt im New Yorker, dass ein Computer des US-Verteidigungsministeriums mittels Algorithmen eine Gleichung über Ziele und etwaige Kollateralschäden aufstellt. Das Ergebnis entscheide über die Authorisierung eines Abschusses.

Im vergangenen Jahr wurden mehr als 700 Menschen Opfer der ferngesteuerten Luftangriffe, berichtet Associated Press. Das sind weit mehr, als in den Jahren davor. Es gibt keine exakten Angaben über die zahlreichen Opfer, Journalisten sind in den Stammesgebieten von Pakistan nicht zugelassen. "Unseren Drohnenpiloten ist es seit etwa zwei Monaten nicht mehr gestattet mit Medienvertretern zu sprechen" , stellt Major Angie Blair, Pressesprecherin der US Air Force, zudem gegenüber dem Standard klar.

Die große Zahl ziviler Opfer schürt auch die Ablehnung innerhalb der pakistanischen Bevölkerung gegen die Amerikaner. Robert Gates, der US-Verteidigungsminister, traf deshalb am Donnerstag in Pakistan ein. Es ist sein erster Besuch seit dem Antritt des "Drohnen-Präsidenten" Obama vor einem Jahr. Er wolle sich um eine Verbesserung der belasteten Beziehungen bemühen, kündigte Gates an, forderte aber gleichzeitig auch eine Ausweitung des Kampfs gegen die Taliban in den Stammesgebieten.

Der Einsatz von Drohnen ist angesichts der Verluste von über tausend amerikanischen Soldaten in Afghanistan ein wirksames Mittel, dem Krieg im Heimatland mehr Akzeptanz zu verschaffen. Die gezielten Tötungen durch die CIA geschehen weitgehend ohne Kontrolle oder Transparenz, was bei den Vereinten Nationen auf zunehmende Kritik stößt.

Die Illusion einer klinisch sauberen Kriegsführung bleibt Wunschdenken: Laut einer Studie des Brookings Institute kommen auf einen getöteten Terroristen durchschnittlich zehn zivile Opfer. Beim Einschlag einer Rakete werden zwangsläufig auch Menschen in der Umgebung in Lebensgefahr gebracht.

Was bringt dann der Einsatz der fliegenden Roboter? "Einzelne Ziele können bekämpft werden. Aber im Sinne einer nachhaltigen Anti-Terrorstrategie können Drohnen keinen Soldaten ersetzen" , meint der Militärexperte Feichtinger. Die Frage bleibt, ob sich Major Andrews der moralischen Verantwortung entledigt fühlt, wenn er nach getaner Arbeit in Afghanistan seinen Feierabend in Nevada antritt. (Julia Herrnböck/DER STANDARD, Printausgabe, 22.1.2010)