Bild nicht mehr verfügbar.

Der britische Premier Fordon Brown wird nun doch noch vor der Wahl im U-Auschuss zum Irak aussagen.

Foto: Reuters/Andrew Winning

Bild nicht mehr verfügbar.

Der britische Expremier Blair sagt nächste Woche zum Irak aus.

Foto: Reuters/Strong

Aussagen von Vertrauten seines Amtsvorgängers Blair setzen ihn weiter unter Druck.

*****

Die Debatte über Großbritanniens Beteiligung am Irakkrieg wird den britischen Wahlkampf überschatten, so viel steht fest. Am Freitag gab der Vorsitzende des offiziellen Untersuchungsausschusses, John Chilcot, bekannt, Premierminister Gordon Brown werde schon in den nächsten Wochen zu seiner Zeugenaussage geladen. Bisher galt die Maxime des Ausschusses, noch im Amt befindliche Minister würden erst nach der Unterhauswahl angehört, die spätestens Anfang Juni steigt. Dagegen hatte sich im Unterhaus zunehmender Widerstand formiert.

Dem Premier wird der öffentliche Auftritt wenige Wochen vor der Parlamentswahl bis Mai ebenso ungelegen kommen wie die Aussagen hoher Beteiligter in den vergangenen Tagen. Der Chefberater des damaligen Premiers Tony Blair, Alastair Campbell, ließ keinen Zweifel am Einfluss des damaligen Finanzministers Brown im Vorfeld des Krieges: "Er gehörte zum engsten Kreis."

"Endlich offenlegen"

Die öffentliche Untersuchung des Feldzuges, den aktuellen Umfragen zufolge 75 Prozent der Briten für einen Fehler halten, war von der Labour-Regierung zunächst jahrelang abgelehnt worden. Im vergangenen Jahr berief Premier Brown das fünfköpfige Gremium ein, schlug zunächst aber vor, die Sitzungen sollten hinter verschlossenen Türen stattfinden. Dies verhinderte der Protest der oppositionellen Liberaldemokraten und kleinerer Parteien, die 2003 gegen den Krieg gestimmt hatten. "Jetzt muss er endlich seine Rolle offenlegen" , freut sich Angus Robertson von der schottischen Nationalpartei.

Brown selbst hatte 2002 und bis März 2003 betonte Zurückhaltung geübt, erst kurz vor der entscheidenden Unterhaus-Abstimmung zur Loyalität für Blair aufgerufen. Dem britischen Militär verweigerte er im Anschluss an den eigentlichen Krieg im Frühjahr 2003 dringend benötigte Mittel, so hat es der damalige Verteidigungsminister Geoff Hoon vor dem Ausschuss dargelegt.

Ehe der amtierende Regierungschef sich der Befragung stellt, macht am kommenden Freitag der frühere Premierminister Tony Blair (56) seine Aussage. 60 Zuhörer fasst der freudlose Saal der Kommission, 20 Karten sind für Angehörige gefallener Soldaten reserviert. Um die restlichen 40 Tickets durften sich interessierte Inselbewohner schriftlich bewerben. Streng ließ der Ausschuss-vorsitzende Chilcot mitteilen, es handle sich um "persönlich vergebene Karten" . Bei der Auslosung lagen mehr als 3000 Bewerbungen in der Trommel. Die Verlierer können Blairs Auftritt im Internet verfolgen.

Die Auftritte seines Spin-Doctor Campbell sowie des Exbüroleiters Jonathan Powell lassen ahnen, wie Blair argumentieren will. Campbell wehrte sich robust gegen den Vorwurf, er habe ein Regierungsdossier zu Iraks angeblichen ABC-Waffen im September 2002 manipuliert.

Demonstrativ distanzierten sich beide Blair-Vertrauten vom früheren britischen Botschafter in Washington, Chris Meyer. Dieser hat also ins Schwarze getroffen mit seiner Beobachtung, Blair habe bereits Anfang April "einen Deal in Blut" abgeschlossen, mit anderen Worten: Der Brite sagte knapp ein Jahr vor dem Krieg den Amerikanern Unterstützung zu für den gewaltsamen Umsturz des Saddam-Regimes.

Exaußenminister Jack Straw sprach am Donnerstag von der "schwersten Entscheidung seines Lebens". Blair selbst hatte sich vor Weihnachten zu seiner "sehr einsamen Entscheidung" geäußert und die Bedrohung durch das Regime Saddam Husseins betont. Auch ohne die - nicht vorhandenen - Massenvernichtungswaffen "hätte ich es für richtig gehalten, ihn von der Macht zu vertreiben".

Dazu hört der Ausschuss kommende Woche zwei Juristen, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen: Im Foreign Office nahm Elizabeth Wilmshurst ihren Hut, weil der geplante Krieg "einem Verbrechen" gleichkomme und "schädlich" sei für das internationale Rechtssystem. Generalstaatsanwalt Peter Goldsmith gab nach langem Zögern grünes Licht für die Invasion. (Sebastian Borger aus London/DER STANDARD, Printausgabe, 23.1.2010)